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Respekt, Ordnung und jede Menge Spaß - an Bord mit Kapitän Kaplon

Kapitän Krzysztof Kaplon ist überzeugt: Respekt ist die wichtigste Eigenschaft, um ein Schiff zu führen. Er organisiert für die Crew gerne Exkursionen – und einmal führte sie den Tennis-Fan zu den Australian Open.

Ich finde, dass Respekt der zweite Vorname jedes Kapitäns sein sollte. Respekt vor der Kraft des Ozeans. Respekt vor seiner Crew. Egal aus welcher Abteilung, für mich ist jedes Crewmitglied an Bord gleich, ob Deck oder Maschine. Respekt vor der Natur, Respekt vor den Seeleuten - ich habe in meinen Jahren bei Hapag-Lloyd beide Vorsätze beherzigt. Bislang gab es nicht eine kritische Situation. Keinen Notfall, keinen besonders harten Sturm, keinen schweren Unfall an Bord.

Für mich gilt: Jeder Kapitän ist nur so gut wie das Team, mit dem er unterwegs ist. Meine Großmutter sagte mir einmal den deutschen Spruch: „Ordnung muss sein.“ Ordnung muss an Bord eines großen Frachtschiffes sein, das ist elementar wichtig. Wenn die Ordnung und die Arbeit getan sind, lege ich aber auch Wert darauf, meiner Crew etwas für ihren Einsatz zurückzugeben.

Ich achte darauf, dass das Soziale Leben an Bord stimmt. Ich nenne das „Integration“. Wir organisieren beispielsweise Tischtennisturniere, Kicker-Wettkämpfe und Dart-Meisterschaften. Die Gewinner bekommen einen kleinen Preis. In den Häfen gibt es heutzutage Internet und auf manchen Schiffen auch während der Seetage Wifi-Verbindung. Das ist für jeden an Bord schön, denn es gibt einen zusätzlichen Schub an Energie und Motivation, wenn man seine Frau oder seine Kinder sprechen kann. Doch es sorgt auch dafür, dass Crewmitglieder auf ihren Kammern bleiben. Das möchte ich eigentlich nicht. Die Männer sollen soziale Kontakte an Bord pflegen, um nicht zu vereinsamen.

 

Kapitän Krzysztof Kaplon, Jahrgang 1973, stammt aus einer Seefahrerfamilie in der Ostseestadt Bytow. Sein Onkel und sein Cousin waren ebenfalls als Kapitäne auf den Meeren unterwegs. Er studierte an der angesehen Seefahrtsschule in Stettin. Seit 2006 fährt er für Hapag-Lloyd. Er ist aktuell Kapitän der „Hannover Express.“

In manchen Häfen gehe ich – sofern es die Arbeit zulässt, versteht sich – mit an Land, um besondere Nahrungsmittel einzukaufen, die nicht mit der normalen Lieferung kommen. Liegen wir an einer Pier in Frankreich, besorge ich Käse; sind wir in einer Marktstadt, kaufe ich einen großen Fisch. Die Matrosen freut das. In den USA besuchen wir ein großes Einkaufszentrum. Es kostet die Reederei nicht mehr, es macht nur Mühe. Doch es ist meine Art, der Crew ein Dankeschön für ihre Arbeit zurückzugeben.

Wir organisieren außerdem Landausflüge. In Houston staunten wir im Space Centre der NASA. In Mexiko fuhren wie zu berühmten Wasserfällen, in Ägypten ritten wir auf Kamelen zu Pyramiden, in Vancouver fuhren wir in die Berge. Das Musée de la Gendarmerie et du Cinéma in Saint-Tropez war ein großer Spaß, weil viele Crewmitglieder Fans von Louis de Funes waren. Die philippinischen Matrosen lernten ihn kennen. Als wir einmal in Melbourne einliefen, spielte der deutsche Tennisprofi Tommy Haas gegen den Franzosen Jo-Wilfried Tsonga in der Dritten Runde der Australien Open. Es gelang uns, Tickets zu bekommen. Was mich, als Tennisfan, besonders freute. Ich spiele in meiner Freizeit in der zweiten Amateurklasse in Stettin; auch auf Reisen nehme ich immer meine Schläger mit. Wenn der Laderaum leer ist, nutze ich die Wände, um ein wenig zu trainieren. Unser deutscher Schiffskoch war während des Spiels von Haas leidenschaftlich bei der Sache. Einmal rief er während einer Spielunterbrechung laut auf den Court: „Auf geht´s, Haas!“ Die halbe Tribüne drehte sich nach uns um.

Über die Landausflüge wird an Bord noch lange geredet, wenn wir wieder draußen auf See sind. Die gemeinsame Erinnerung ist ein wichtiges Gesprächsthema und verbindet die Männer. Manche, die zunächst skeptisch waren und nicht mitkommen wollten, schmücken mit Erinnerungsfotos ihre Kammern. Mich freut das.

Ich fordere meine Crew aber auch. Wir haben hochmoderne Technik an Bord, die zuverlässig ist. Mir geht blindes Vertrauen in die Technik als Seemann aber manchmal zu weit. Was machen wir denn, wenn die Satellitenverbindung ausfällt? Oder wenn es einen Blackout an Bord gibt? Ich habe in der „Akademia Morska“, der Seefahrtsschule von Stettin, noch das Navigieren mit dem Sextanten gelernt. Mein erstes Fahrtgebiet nach der Schule war die Karibik, für einige Monate. Nach Stationen bei skandinavischen und einer anderen Hamburger Reederei kam ich 2006 zu Hapag-Lloyd.

Meine schlimmste Erfahrung auf See machte ich lange vor dieser Zeit. Es geschah Ende Oktober 1998, ich fuhr als junger Offizier auf einem – verglichen mit den Riesen der heutigen Zeit – kleinen Frachter große Papierrollen von Belem in Brasilien nach Mexiko. Wir gerieten in den Hurrikan Mitch, einen Wirbelsturm der schlimmsten Kategorie Fünf, der in Mittelamerika knapp 20.000 Menschen das Leben kostete und Schäden von mehreren Milliarden US-Dollar verursachte.

Die Wellenhöhe betrug zehn Meter und mehr. Die Sicht: gleich Null. Das Schiff rollte, wie ich es noch nie erlebt hatte. Es war meine Wache, ich war mit dem Kapitän auf der Brücke, ganz vorne hinter dem Bug. Wir mussten fürchten, dass ein großer Brecher die Scheibe einschlug. Nach Ende meiner Wache sagte der Kapitän den schlimmsten Satz, den ich während meiner Zeit auf See gehört habe: „Gentlemen, nehmen Sie bitte ihre Überlebensanzüge und begeben Sie sich zum Sammelplatz.“ Niemand sprach ein Wort.

Die Furcht war im Raum zu spüren, doch niemand betete. Wir tranken Kaffee und versuchten, uns irgendwie festzuhalten. Das Schiff rollte fürchterlich. Sieben Stunden dauerte das Warten, dann hatten wir das Gröbste überstanden. Der Kapitän gab Entwarnung. Ich erinnere mich noch, dass wir auf die Kammern gingen, um zu schlafen. Wir waren erschöpft. Einige der tonnenschweren Papierrollen, die auf dem Wetterdeck transportiert wurden, hatten die Brecher einfach mitgerissen.

Die See hatte uns eine Lektion gelehrt.