28 Jahre fuhr er zur See, dann wechselte Kapitän Gerd Rohden auf die andere Seite der Kaimauer. Insgesamt 42 Kolleginnen und Kollegen verantworten in Hamburg und Genua alle Bereiche des Stauens unter der Leitung von Gerd Rohden. „Wir sorgen dafür, dass das richtige Schiff die richtigen Container im richtigen Hafen zur richtigen Zeit bekommt.“ Das sei nach wie vor viel Handarbeit, viel Koordination und mit vielen Absprachen verbunden. Am meisten gefällt dem Landkapitän die Vielfalt der Tätigkeiten: „Ob die Berechnung des hydrodynamischen Tiefgangs der Schiffe oder der verifizierten Bruttomasse der Container – man muss superviel wissen.“
Von einer ostfriesischen 13.000 Einwohner-Gemeinde die weite Welt erobern? Nichts leichter als das: „Man wird in Uthwerdum, mitten in Ostfriesland, geboren, geht in Aurich zur Schule und sucht sich eine Reederei in Leer. Dann geht man drei Tage nach dem Abitur an Bord eines 999-BRT-Kümos, fährt auf der Ems in den Dollart, und dann ist man auch schon weg.“ Gerd Rohden zieht die Route auf dem kleinen Globus in seinem Büro mit dem Finger nach. Es ist ein besonderer Globus, denn er zeigt ausschließlich Rohdens Heimat Ostfriesland. Nach 28 Jahren auf See wechselte der Kapitän auf die andere Seite der Kaimauer und wurde Director Marine Operations in der Hapag-Lloyd-Zentrale. Dort koordiniert und verarbeitet er mit seinem Team jährlich rund 7.500 Hafenanläufe in der Region Europa.
Seine berufliche Reise begann Rohden in den 1980er-Jahren. „Da änderte sich gerade das Berufsbild des Matrosen, denn die Schiffe wurden immer moderner, die klassische Aufteilung in Matrosen und Motorenwärter passte nicht mehr. So habe ich eine Ausbildung zum Schiffsmechaniker gemacht. Metallbearbeitung und -verarbeitung, Maschinenkunde, das gehörte alles dazu“, erzählt der 54-Jährige. 1990 erlangte er sein Patent zum Nautischen Wachoffizier und bewarb sich umgehend bei Hapag-Lloyd: „Hier konnte man neuerdings Schiffsbetriebsoffizier werden, also zusätzlich zum nautischen das technische Patent erlangen.“ Mit dem technischen Patent fuhr Rohden erst bis 2000 als Schiffsbetriebsoffizier und Erster Offizier, dann, mit 36 Jahren, als Kapitän. Mit 40 übernahm er die „Frankfurt Express“, auf der er sich auch um die Ausbildung junger Seemänner und -frauen kümmerte. „Eine glückliche Fügung, schließlich wollte ich mit 16 die Schule schmeißen und rauf auf die ,Frankfurt Express‘, das damals größte Containerschiff der Welt. Meine Mutter hatte es nicht erlaubt. Jetzt stand ich an Deck, wenn auch 24 Jahre später, aber immerhin als Kapitän.“
2010 las Gerd Rohden die Stellenausschreibung zum Director Marine Operations: „Ich hatte gar nicht vor aufzuhören, war aber neugierig und fragte dann einfach mal in der Personalabteilung, worum es da geht.“ Es ergab sich ein spannender Dialog, an dessen Ende nur noch eine Frage im Raum stand: „Wann fangen Sie an?“ – „Mitte September band ich die ,Hannover Express‘ im Hamburger Hafen fest, sechs Wochen später bezog ich mein Büro am Ballindamm.“
Auch wenn er heute in seinem Job angekommen ist, ganz ohne war der Wechsel vom Wasser ans Land rückblickend betrachtet nicht. „Es war eine komplett neue Welt für mich. Nicht alle Eigenschaften, die ich als Kapitän mitbrachte, passten. Ein Kapitän ist gerade heraus, da wird nicht diskutiert. Alles andere kann man sich an Bord gar nicht leisten. An Land musst du auch mal größere Kreise involvieren, Absprachen treffen, es reden viele mit.“ Ist ihm das leicht gefallen? „Nö!“, lacht Rohden. „Aber der Vorteil war, dass mich viele kannten.“ Auch privat sei das eine Umstellung gewesen, erzählt er: „Plötzlich hast du keine drei Monate Urlaub mehr, bist Wochenendpendler. Aber meine Frau findet das ganz gut, glaub ich.“