Hapag-Lloyd ist einer der größten Kaffeetransporteure weltweit – unter anderem auch für Starbucks. China ist seit fast 30 Jahren der zweitwichtigste Markt des US-amerikanischen Kaffeespezialisten - in Shanghai steht die größte Filiale der Welt. Doch der neue chinesische Konkurrent Luckin hat Starbucks den Kampf um die Marktvorherrschaft angesagt. Das könnte den Weg der Kaffeebohnen verändern.
Starbucks gehörte Ende der 90er Jahre zu den Ersten, die den Chinesen in den Großstädten erfolgreich westlichen Lebensstil verkauften. Und der US-Kaffeeriese wurde in dem Riesenreich fast zum Monopolisten. Doch das ist vorbei, seit es Luckin gibt. Das chinesische Start-up wurde erst vor zwei Jahren gegründet und hat vor allem viele junge Städter zu begeisterten Kaffeetrinkern gemacht. Wächst die Nachfrage weiter, könnte dies weltweit Folgen haben: Für Kaffeebauern, Exporteure, Röster und Reeder. Kaffeeimporte nach China nehmen jährlich um 16 Prozent zu. In den USA sind es dagegen nur zwei Prozent.
Mittlerweile gibt es in 18 chinesischen Großstädten bereits 2370 Luckin-Zweigstellen, zum Jahresende sollen es 4500 sein – Starbucks betreibt 3600. Luckin setzt erfolgreich auf Hightech und niedrige Preise. So sind Getränke dort im Durchschnitt ein Drittel günstiger als bei Starbucks. 49 Yuan (6,30 Euro) kostet derzeit eine Latte im Shanghaier Megastarbucks – der größten Filiale der Welt.
In den eher kleineren Luckin-Filialen gibt es noch nicht einmal eine Kasse. Bestellt und bargeldlos bezahlt werden Kaffee, Kakao und kulinarische Kleinigkeiten per App. Wer will, kann sich alles liefern lassen. Im Schnitt dauert das nur 16 Minuten. Das hat vor allem die Anleger bei dem jüngst sehr erfolgreichen Börsengang an der New Yorker Wall Street schwer beeindruckt. Der chinesische Kaffeeanbieter nutzt Datenanalyse und Künstliche Intelligenz, um Kundenverhalten und Transaktionsdaten genau unter die Lupe zu nehmen. Die hauseigene App habe „erhebliche Vorteile hinsichtlich Kosten und Kundenbindung verschafft, um den Massenmarkt-Kaffeekonsum in China zu fördern“, schrieb die Credit Suisse.
China liegt mit mittlerweile rund 2,5 Prozent am weltweiten Kaffeekonsum auf Platz acht der Kaffeetrinkernationen. Auf Platz eins liegen die Konsumenten in der EU mit 29 Prozent gefolgt von den Amerikanern mit rund 16 Prozent Anteil am weltweiten Kaffeekonsum. Doch die Chinesen holen rasant auf. Und die 43-Jährige Luckin Gründerin und Chefin Qian Zhiya will mit ihrem Kaffee-Tech-Konzept in den mittleren Osten und nach Indien expandieren. Bereits in wenigen Jahren könnte Kaffee dort zu einem Riesengeschäft werden.
Vor allem junge Chinesen finden es derzeit hip, Kaffee anstatt Tee zu trinken und damit westlichen Lebensstil zu zelebrieren. Vor noch nicht einmal 20 Jahren hatten die meisten Büroangestellten ein meist hässliches Teegefäß oder eine bunt beblümte Thermoskanne mit Wasser für die Zubereitung von grünem Tee auf ihrem Büroschreibtisch stehen.
Heute werden in China bereits umgerechnet fast zehn Milliarden US-Dollar jedes Jahr mit Kaffee umgesetzt, und Experten erwarten ein Wachstum von jährlich sechs Prozent in den nächsten vier Jahren. Das Marktforschungsinstitut Frost & Sullivan bekräftigt. „Wir prognostizieren einen Anstieg des Pro-Kopf-Verbrauches von frisch gebrühtem Kaffee von 1,6 Tassen pro Kopf und Jahr im Jahr 2018 auf 5,5 Tassen pro Kopf und Jahr im Jahr 2023.“
Woher dieser Kaffee für das Milliardenvolk kommen wird, ist derzeit noch unklar. Starbucks bezieht seine ungerösteten grünen Kaffeebohnen überwiegend aus Südamerika, lässt diese in den USA rösten und verschifft dann – unter anderem mit Hapag-Lloyd – weiter nach China.
Luckin wird sich bei zunehmender Nachfrage im Nachbarland Vietnam und in Afrika umschauen. Aber auch für deutsche Kaffeeröster könnten sich ganz neue Geschäftschancen auftun. Angeblich gibt es erste Kontakte nach Hamburg, denn viele Röstereien gibt es in China noch nicht. Auch Hapag-Lloyd könnte profitieren, wenn die Arabica-Rohware aus Südamerika in Deutschland landet, hier geröstet und dann weiter verschifft wird nach China.
Traditionell fahren die Hamburger bereits seit langem Kaffeebohnen über die Weltmeere. Hapag-Lloyd hat im vergangenen Jahr 59.821 Container voller Rohkaffee transportiert, Tendenz steigend. Geht es so weiter wie in den letzten Monaten, rechnet Sales Executive Daniel Levenhagen mit rund 73.000 Containern in diesem Jahr. Davon entfiel fast ein Viertel auf die Routen zwischen der südamerikanischen Ostküste und Nordamerika und rund ein Viertel ging von Südamerika in Richtung Europa.
Und immerhin 16 Prozent der Kaffeecontainer landeten aus Asien in Europa. Aber vor allem diese Transporte könnten schrumpfen. Denn ein großer Teil des Kaffees, der aus Asien nach Europa geliefert wird, kommt aus Vietnam. Und diese Bohnen sind auch für die Chinesen hoch attraktiv, denn sie gedeihen nur unweit der chinesischen Grenze. „Die wesentlichen Anbaugebiete liegen im Norden Vietnams, ganz in der Nähe der Grenze“, sagt Levenhagen. Dort wird auf rund 630.000 Hektar angebaut – meist die etwas ins Bittere gehende Kaffeesorte Robusta, aber auch immer mehr die schmackhafteren Arabica-Bohnen. Vietnam ist also ein Kaffeeriese. Mit rund 18 Prozent an der weltweiten Kaffeeernte liegt das Land auf dem zweiten Platz hinter Weltmarktführer Brasilien. Mehr als 23 Millionen Säcke á 60 Kilo werden pro Jahr von den Vietnamesen derzeit exportiert. Immer mehr geht auch nach China.
Doch es gibt noch einen anderen Weg, die steigenden Nachfrage der Kaffeetrinker in China zu befriedigen. Hapag-Lloyd-Manager Levenhagen kann sich vorstellen, dass die chinesische Regierung die Ausweitung der bereits bestehenden Kaffeeplantagen in der Provinz Yunnan unterstützen wird. Denn Teile des Südwestens Chinas liegen wie Südamerika und Afrika im „Kaffeegürtel“, der sich nördlich und südlich des Äquators um den Globus erstreckt.