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Wie geht digital optimal? Der COO der DCSA im Interview

Cyber Angriff? Schiffsverspätung? Probleme treiben Henning Schleyerbach an. Bei der DCSA ist er daher genau richtig. Als studierter Physiker und ehemaliger IT-Experte bei Hapag-Lloyd weiß er, dass es für jede Herausforderung eine Lösung gibt.

Seit Sommer 2019 sind Sie COO der Digital Container Shipping Association. Um vergleichbare Fakten zu erhalten, entwickeln Sie einheitliche Standards. Das klingt trocken, ist aber offensichtlich nicht weniger als die gesamte Branche fit für die digitale Zukunft aufzustellen?

Die DCSA wird in allen Bereichen, über die sich ein einzelner Carrier nur schwer definieren kann, interessant: Schutz vor Cyber-Attacken, Container-Tracking, Hafen-Abläufe, Hinterland-Anbindungen und vieles mehr. Seit unserer Gründung im April 2019 konnten wir 9 der Top 10 Reedereien als Mitglieder gewinnen. Damit deckt die DCSA bereits 70 Prozent der weltweiten Kapazität ab. Als NGO arbeiten wir neutral. Vertrauen und Offenheit sind unerlässlich. Von Amsterdam aus entwickeln wir mit über 80 Experten in unseren Arbeitsgruppen IT-Lösungen für alle und veröffentlichen sie als Open Source auf unserer Website. Jeder darf unsere entwickelten Standards verwenden und sich darauf berufen. Wir tauschen uns mit allen relevanten Verbänden aus, auch mit Kunden unserer Mitglieder. Denn die Kunden und die Terminals haben das Problem, dass sie mit den verschiedenen Reedern verschiedene IT-Verbindungen haben – das wollen wir verbessern.

Standards gab es aber doch schon vorher? Was macht die DCSA genau?

Es gibt unter unseren Mitgliedern keinen Mangel an Standards, sondern eher einen Mangel daran, einen einheitlichen Standard zu benutzen und diesen auch konsistent umzusetzen. Wir vereinbaren mit unseren Mitgliedern Standards, damit verwendete Codes, zum Beispiel für Hafenterminals, global von allen einfach und schnell identifiziert werden können. Standards, mit denen ein Datenaustausch zwischen Systemen möglich ist. Das umfasst nicht nur Codes, sondern auch Prozesse, um diese Codes aktuell zu halten. Wir nennen das Interoperabilität.

So arbeiten wir aktuell am Just-in-Time-Arrival oder an Smart Container Tracking Devices. Wir wollen Lösungen finden, wie wir zum Beispiel Wartezeiten der Schiffe in den Häfen vermeiden können. Das kommt alles der Umwelt und der Fahrplantreue zugute.

Beim Thema Fahrplan haben wir uns mit unseren Mitgliedern darauf geeinigt, was wir als „ein Schiff ist im Hafen angekommen“ definieren. Das klingt einfacher als es war, immerhin gibt es mehrere mögliche Punkte. Im Januar haben wir unseren Interface Standard für Track & Trace veröffentlicht. Hier geht es darum den Streckenplan, die bereits erreichten Abschnitte und mögliche Änderungen einheitlich bereitzustellen. Ein Kunde kann somit reedereiübergreifend eine einheitliche Schnittstelle verwenden.

Über eine größere Vernetzung sind Systeme auch angreifbarer geworden. Welche Rolle spielt Cyber-Security bei der DCSA?

Das ist ein spannendes Feld, wird aber von unseren Mitgliedern auch unterschiedlich umgesetzt. Die IMO schreibt vor, ab Januar 2021 ein Cyber-Risk-Management an Bord der Schiffe zu installieren, um Crew, Umwelt und Ladung noch stärker zu sichern und Kollateralschäden, die mit einem Angriff einhergehen könnten, zu minimieren. Eine Aufgabe, die wir nun gemeinsam und effizient angehen. Den Reifegrad kann jeder Carrier selbst entscheiden, aber es sollte eine Grundsicherheit für alle geben.

Sie haben Physik studiert - was hat Sie damals an dieser Wissenschaft gereizt?

Ich wollte eigentlich Erfinder werden und dachte, das kann ich mit einer Naturwissenschaft am besten machen. An Neuem arbeiten, Themen mitgestalten – das hat mich fasziniert. In der Physik verfolgen wir den Ansatz, die Wirklichkeit mit einem Modell zu beschreiben. Das erklärt viel, aber nicht alles. Und genau das macht auch die IT: Wenn wir eine Datenbank bauen, wird sie nie alle Facetten der Realität abbilden. Wir müssen uns auf das Wesentliche konzentrieren und notfalls das komplette Modell neu erfinden.

Über die IT sind Sie zu Hapag-Lloyd gekommen, warum?

Mich begeistern die Internationalität und die Unvermeidbarkeit der Schifffahrt. Ich persönlich glaube, dass wir auch in einigen Jahrzehnten noch Motor der Globalisierung sein werden. Auch wenn mit der Digitalisierung Fragen aufkommen rund um das Netzwerk, alternative Antriebstechnologien, 3D-Druck und so weiter. Entscheidend ist, wie schnell wir auf Veränderungen reagieren und Anpassungen vornehmen.

Im Kundenservice hat sich zum Beispiel technologisch viel verbessert. Proaktive Kommunikation und schnelle abteilungsübergreifende Lösung von Problemen ist Teil der Hapag-Lloyd Qualitätsstrategie. Thomas Elling, Senior Director Regional Sales & Customer Service, und sein Team haben hier das global vernetzte „Case Management“ von Salesforce in den letzten Monaten weiter vorangetrieben.

Die Digitalisierung wird nicht nur positiv gesehen. Mensch versus Technologie. Welche Botschaften hat die DCSA für die Zukunftsskeptiker?

Die Digitalisierung ist nichts, was man aufhalten kann. Was wir heute erreicht haben, reicht definitiv noch nicht. Wir erzeugen noch immer eine große Menge Papier! Hier müssen wir das Tempo erhöhen. Der Schlüssel ist ein vernünftiger Datenaustausch über klar definierte Standards. Wie bei Booking.com oder ähnlichen Portalen ist die Einfachheit und Vergleichbarkeit für Kunden charmant. Über Daten nachhalten wie gut man ist, und sich ständig verbessern – das ist der Weg nach vorne. Wir benötigen genau diese Kombination: Menschliche Intelligenz verstärkt durch gute künstliche Intelligenz. Da ist die Technologie eine Möglichkeit, sich neu zu erfinden.

Weitere Infos: www.dcsa.org

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