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Ungewissheit, Sorgfalt und Zusammenhalt: Drei Kapitäne berichten von der Situation an Bord

Ohne die „Helden des Alltags“ sähen unsere Tage aktuell sehr viel schwieriger aus. Allen voran sorgen Supermarktangestellten, Fahrer, Ärzte und Krankenschwestern sowie -pfleger dafür, dass wir mit den wichtigsten Gütern und Diensten versorgt werden. Auch unsere Seeleute gehören dazu. Sie stellen sicher, dass der Warenfluss bestehen bleibt – und bleiben dafür häufig über ihre reguläre Dienstzeit an Bord. Wir haben mit den Kapitänen Norbert Gühne, Tobias Kammann und Stephan Berger über die Situation an Bord gesprochen. Soviel vorweg: Die Stimmung ist weiterhin positiv.

Sie sind gerade alle in unterschiedlichen Richtungen zwischen Europa, Asien und dem Mittleren Osten unterwegs. Wie haben Sie die Reise bisher erlebt?

Gühne: Für uns war es bislang eine sehr „kurzweilige“ Reise, weil wir unglaublich viel zu tun hatten. Als wir in Europa losgefahren sind, war noch alles ruhig. Die erste Erfahrung hatten wir im Suez-Kanal: Da kamen die Lotsen mit Mundschutz an Bord und es wurde bewusst aufs Händeschütteln verzichtet. In Jeddah kamen alle offiziellen Besucher mit Mundschutz, Einweg-Overall und Gummihandschuhen an Bord.   

Wir tun unseren Teil, um unser Schiff „gesund“ zu halten. Dafür haben wir detaillierte Vorgaben und Verhaltensanweisungen vom Fleet Management in Hamburg erhalten, die für alle Schiffe gelten.

Berger: So schwer es fällt, nicht mehr an Land gehen zu können, so ist es eine der vielen Sicherheitsmaßnahmen, die wir ergriffen haben, um das Schiff und die Besatzung zu schützen. Soziale Distanz bedeutet für uns vornehmlich, den Kontakt zu Außenstehenden weitestgehend zu vermeiden. Dies gelingt im Mittelmeerraum erstaunlich gut. Auch die Kooperation mit den Lotsen ist hervorragend. Wir halten Abstand und die Lotsen bemühen sich, keinerlei Schiffskomponenten (Radar, Funkgerät, etc.) zu berühren.   

Trotzdem machen wir nach jedem Außenkontakt eine Desinfektionsrunde und wischen alle Komponenten, Relinge, Türgriffe und Fahrstühlknöpfe ab. Zudem stehen Handdesinfektionsmittel an kritischen Punkten für die Besatzung bereit. War vorher der Verbrauch vielleicht etwas zu gering, ist er nun enorm gestiegen. Dies unterstreicht das Schutzbedürfnis unserer Besatzungsmitglieder.   

Kammann: Als die ersten Berichte im Januar über den Coronavirus publik wurden, waren wir gerade mit den Mittelmeerhäfen beschäftigt. Der Wintersturm Gloria hatte uns Mitte des Monats zu schaffen gemacht und die Häfen und Fahrpläne durcheinandergewirbelt.   

In Damietta Anfang Februar waren dann die ersten Maßnahmen bezüglich der Ausbreitung des Coronavirus landseitig sichtbar und spürbar. Mittlerweile tragen alle Besatzungsmitglieder Gesichtsmasken, die im Hafen auf dem offenen Deck sein müssen, um die Ladungsarbeiten zu überwachen, Proviant oder Ausrüstung zu übernehmen oder den Bunkervorgang zu prüfen. Das Temperaturmessen ist ein fester Bestandteil der alltäglichen Bordroutine geworden.   

Wie ist die Stimmung an Bord?  

Kammann: Uns geht es den Umständen entsprechend gut – wahrscheinlich ist unsere Welt an Bord sogar ein bisschen normaler als die ihre Zuhause. Der Seemann liebt die altbewährte Routine und die versuchen wir soweit wie möglich aufrecht zu erhalten.   

Berger: Die Stimmung an Bord ist gut, alle zeigen Verständnis für die Situation und wir haben zum Glück nur wenige Crewmitglieder, die jetzt vor einem Crew-Wechsel standen. Dieser ist vor allem wegen der Reiseverbote und den am Boden stehenden Flugzeugen ausgefallen.   

Gühne: Die Stimmung bei uns ist ausgezeichnet. Das weiß ich aus persönlichen Gesprächen und das höre ich am ausgelassenen Lachen der Jungs, das aus dem Aufenthaltsraum schallt, wenn sie dort kickern.  

Trotzdem ist allen die Besonderheit dieser Situation bewusst. Es sind viele Gedanken, die derzeit in dem Köpfen an Bord umgehen. An erster Stelle steht dabei immer die Familie – natürlich möchte man gerne seine Familie unterstützen. Zugleich wissen wir auch alle, dass wir an Bord sehr sicher aufgehoben sind. Und viele ihre Familien durch die Arbeit hier unterstützen können.   

Wie gehen Sie mit dem Thema Crew-Wechsel um – wie reagieren die Kollegen, die nun nicht von Bord gehen können?  

Gühne: Unsere Crew-Wechsel sind zwar aktuell alle aufgeschoben. Wir bekommen aber regelmäßig neue Einschätzungen zur Lage aus Hamburg. Während sich die Lage in China zu verbessern scheint, wurden in Europa viele Reisebeschränkungen ausgerufen. Von dort würden wir also gar nicht nach Hause kommen. Wir hoffen darauf, dass es eine Lösung für uns Seeleute geben wird – und so lange halten wir einfach weiter aus.   

Berger: Der Seemann (und natürlich auch die Seefrau) lebt und arbeitet an Bord für das Ausstiegsdatum. Wird der Crew-Wechsel verschoben, fällt es schwer, aber man hat ein neues Datum, auf das man hinarbeiten kann. Dies fällt im Moment völlig weg, was es natürlich erschwert und die Ungewissheit ist groß. Was passiert, wenn ein Familienmitglied erkrankt – und man kann nicht zu ihm? Diese Angst besteht bei vielen, die Gewissheit, der Familie im schlimmsten Fall nicht beistehen zu können.   

Kammann: Die Frage, die uns alle beschäftig ist natürlich, wie lange dieser Ausnahmezustand noch anhalten wird. Aber da geht es uns ja allein gleich – ob an Land oder auf See. Wir haben hier auch alle Grafiken und Zahlen im Blick und hoffen auf ein Abflachen der Kurven, damit die Welt bald wieder zu so etwas wie Normalität zurückfindet.   

Norbert Guehne, Captain on the “Basle Express” 

Guehne embarked in Hamburg in mid-February and currently has a crew of 27 seafarers on board, including three apprentices and a Filipino deck cadet. The “Basle Express” operates in the FE5 service, which connects North Europe with Thailand and Vietnam. The ship had been scheduled to go into dry dock in Qingdao to be outfitted with an exhaust gas cleaning system (i.e. scrubber), but this was postponed due to a lack of manpower in China. When it departs from Qingdao, the “Basle Express” will shift to the MD1 service, which connects the Mediterranean with China and South Korea.  

Tobias Kammann, Captain on the “Essen Express” 

Kammann has been on board since mid-December. The “Essen Express” is currently operating in the MD1 service of THE Alliance, which connects Asia with the western Mediterranean. At the moment, Kammann and his 26-person crew are sailing west from Singapore to Jeddah on the Indian Ocean. The crew also includes three apprentices, two from Germany and one from the Philippines.

Stephan Berger, Captain on the “Berlin Express”  

Captain Berger and some of his European colleagues boarded the “Berlin Express” in Malta in January. The coronavirus was hardly getting any media attention at the time, so it didn’t have any impact on the vessel or its 24-person crew. The “Berlin Express” sails in the IMX service, which connects the Mediterranean with the Middle East and India. The current round voyage in the Mediterranean is a lot different from the last one in January, as no one is permitted to go ashore anymore. Since then, the crew has been confined to a space measuring 320 metres long and 42 metres wide. This also means that the crew is more dependent on suppliers than ever. For example, when no rice was delivered in Valencia, it almost caused an uproar among the crew. Fortunately, some could be delivered later in Barcelona. Since wholesale markets are closed in many countries, it has been impossible to receive supplies of certain products, such as steel and batteries. However, this hasn’t caused any problems to date.