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„Wenn du weit kommen willst, gehe gemeinsam!“ - Interview mit Samad Osman

Nur wenige Länder fehlen noch, dann war er in jedem der 52 afrikanischen Länder – und es wird schwer jemanden bei Hapag-Lloyd zu finden, der den Kontinent besser kennt als er. Samad Osman, Managing Director Hapag-Lloyd Africa, erklärt uns, was wir alle von Afrika lernen können.

Afrika ist für Hapag-Lloyd ein strategischer Wachstumsmarkt. Wie hat sich der Markt entwickelt?

Obwohl der Markt gerade etwas eingeknickt ist, entwickelt sich Afrika für Hapag-Lloyd sehr gut. Wir wachsen kontinuierlich im zweistelligen Bereich und damit zwei- bis dreimal so schnell wie der Markt.

Afrika ist für uns vor allem ein Importmarkt. Was sind die für den Export wichtigen Wachstumsindustrien?

Es gibt in Afrika immer noch ein großes Ungleichgewicht zwischen Importen und Exporten. Die wichtigsten Exportbranchen sind Landwirtschaft und die Bergbauindustrie. Wichtige Güter sind Kakao, Cashew-Nüsse, Holz und Baumwolle, aber auch Früchte. Andere wichtige Güter sind Mineralstoffe, Altmetall und auch außergewöhnlichere Ladung wie Natriumcarbonat, aus dem in China Spiegel und Glas hergestellt werden.

In welchen Ländern sehen wir das größte Wachstum?

Wenn wir uns das Wirtschaftswachstum generell ansehen, stehen vor allem Senegal, Elfenbeinküste, Kenia und Äthiopien gut da. Auch Nigeria ist normalerweise wirtschaftlich sehr stark. Mittelfristig könnte es durch die niedrigen Ölpreise etwas von seiner Wirtschaftskraft einbüßen. Für Hapag-Lloyd sind all diese Länder sehr wichtig – doch Südafrika wird für uns noch einige Jahre der wichtigste Markt bleiben.

Äthiopien hat gerade ein Friedensabkommen mit Eritrea unterzeichnet. Entwickelt sich Äthiopien weiterhin zu einem Schlüsselmarkt für Textilien?

Im Großen und Ganzen ja. Es wird geschätzt, dass der äthiopische Textilsektor bis 2030 auf 30 Milliarden US-Dollar wächst. Ein Grund dafür ist die Verfügbarkeit von günstigen Arbeitskräften. Zudem wurden dem Textilsektor erhebliche wirtschaftliche Anreize gegeben. Das Friedensabkommen ist mit Sicherheit auch hilfreich. Wir werden die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Entwicklung der Textilindustrie abwarten müssen, da sie zu einer Unterbrechung neuer Projekte führen kann. Ich denke, dass es in drei bis sechs Monaten eine Wiederbelebung geben wird, da die meisten Investitionen langfristig angelegt sind.

Was braucht Afrika Deiner Meinung nach, um in Zukunft erfolgreich zu sein?

Ich denke, wir brauchen eine visionäre Führung, Strategie und Weitsicht. Leider neigen Führungspersönlichkeiten in Afrika oft dazu, große Hoffnungen zu wecken, die sie nicht erfüllen können. Die Länder in Afrika müssen gemeinsam vorankommen. Ich schätze an Europa, dass es aus Ländern mit unterschiedlicher Wirtschaftskraft besteht. Die Idee ist, dass die stärkeren Länder dazu beitragen, die Entwicklung der weniger entwickelten Länder voranzutreiben. Dabei ist der Grundgedanke, dies gemeinsam zu tun. Afrika braucht einen ähnlichen Ansatz. Es ist jedoch nicht leicht, sich mit mehr als 50 Ländern zu einigen. Ein afrikanisches Sprichwort besagt: „Wenn Du schnell gehen willst, geh allein. Aber wenn Du weit kommen willst, gehe gemeinsam.“ Einem vereinten Afrika kann eine große Zukunft bevorstehen. Eine gemeinschaftliche Industrialisierung ist ausschlaggebend für die nächsten Schritte.

Was können die Menschen von Afrika lernen?

Das kann ich in einem Wort zusammenfassen: Durchhaltevermögen. Ich kenne Menschen in Nigeria, die morgens um 4:00 Uhr aufstehen, um pünktlich um 7:00 Uhr an ihrem Arbeitsplatz im Büro zu sein. Viele Menschen haben zu Hause noch immer kein fließendes Wasser – aber sie beschweren sich nie. Für mich persönlich hat die Arbeit in Afrika viel mit Respekt zu tun; wir lernen die Kultur kennen, sehen aber auch, was die Menschen tagtäglich durchmachen. Die Dinge laufen hier ein bisschen anders. Ich habe mich einmal gefragt, warum die Leute am Samstag zur Arbeit ins Büro kommen und dann am Nachmittag gemeinsam einen Film auf dem Beamer anschauen. Der Grund dafür ist, dass viele von ihnen zu Hause nicht unbedingt über eine Stromversorgung verfügen. Wenn wir uns ansehen, wie hart die Leute arbeiten und was sie ertragen müssen, ist das wirklich bemerkenswert.

Was bedeutet Afrika für Dich persönlich?

Es ist interessant, denn manche Leute würden vielleicht behaupten, dass ich kein Afrikaner bin, weil ich aus Mauritius komme. Aber ich sage es deutlich: Ich bin stolz darauf, Afrikaner zu sein. Ich trage Afrika in meinem Herzen. Ich erinnere mich, dass meine Eltern dagegen waren, als ich 2004 nach Uganda gezogen bin – aber ich habe es nie bereut. In den letzten 15 Jahren habe ich 44 Länder südlich der Sahara besucht. Meine Herangehensweise in Afrika besteht darin, bescheiden zu bleiben und mich über die Kultur zu informieren. Es gibt viele kulturelle und stammesgeschichtliche Unterschiede, die respektiert werden müssen. Es ist sehr leicht, jemandem hier zu nahe zu treten, indem man etwas Falsches sagt. Wir müssen die Hintergründe verstehen, bevor wir irgendeine Art von Aussage machen. Ich denke, bei sozialen Medien lassen sich die Leute oft hinreißen und posten etwas, ohne die Sichtweise der anderen Seite zu berücksichtigen.

Was ist Dein Lieblingsort in Afrika?

Das ist vielleicht die schwierigste Frage, die Du heute gestellt hast. Ich habe an vielen tollen Orten in Afrika gelebt. Aber wenn ich mich für einen Ort entscheiden müsste, wäre es wahrscheinlich Kenia. Durban würde den zweiten Platz belegen. Aber ich liebe Kenia, und die Kenianer sind wunderbare Menschen. Ich habe dort viele tolle Freundschaften geschlossen. Das Klima ist fantastisch, die Luft ist sauber und die Qualität des Essens ist fabelhaft. Nach nur 30 Minuten Fahrt ist es außerhalb der meisten kenianischen Städte möglich, Löwen zu sehen – und ich spreche nicht von Zoos.


Über Samad Osman
Samad Osman ist in Mauritius geboren und aufgewachsen. Er verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung im Supply Chain Management und hat in den letzten 15 Jahren in verschiedenen afrikanischen Ländern gelebt. Nach Führungspositionen bei Maersk und Damco ist er seit 2015 bei Hapag-Lloyd tätig. Als gebürtiger Inselbewohner genießt er es, zu schwimmen und Zeit am Meer zu verbringen. Derzeit verbringt er viel Zeit zu Hause mit seinen beiden Kindern und entspannt gerne beim Kochen.