Latein- und Mittelamerika ist eine der am stärksten von der aktuellen Pandemie betroffenen Regionen. Nach einem dramatischen Rückgang der Importe und Exporte im zweiten Quartal 2020 hat unsere Region Latin America ein beeindruckendes Comeback erlebt. Andy Van den Abeele, Senior Vice President Regional Sales & Customer Service der Region Latin America, spricht über die aktuelle Lage und wie Hapag-Lloyd in mehrfacher Hinsicht eine schwierige Situation in eine Erfolgsgeschichte verwandelt hat.
Wie zufrieden sind Sie mit unserer Entwicklung in Lateinamerika?
Auch wenn unsere Region von der Pandemie sehr hart getroffen wurde, ist unser Geschäft ziemlich stabil geblieben. Zwar mussten wir im zweiten Quartal einen Rückgang unseres Exportvolumens um etwa elf Prozent hinnehmen. Bisher wickeln wir dieses Jahr mehr Volumen aus Mittel- und Lateinamerika ab als im selben Zeitraum des letzten Jahres.
Was ist das Geheimnis hinter unserer stabilen Leistung?
Es ist nicht wirklich ein Geheimnis. Ein großer Teil unseres Exportgeschäfts besteht aus Nahrungsmitteln mit einem starken Schwerpunkt auf Früchten und verderblichen Waren. Wir transportieren alles von Obst und Gemüse bis hin zu Wein, Kaffee, Saatgut und Reis. Natürlich essen die Menschen auch während der Pandemie weiter – vielleicht sogar etwas mehr als vorher. Ein Land, das stärker betroffen ist, ist Mexiko. Bei den Exporten aus Mexiko handelt es sich hauptsächlich um gefertigte Waren, zum Beispiel aus der Automobilindustrie oder Elektronik, und weniger um Nahrungsmittel wie im Rest unserer Region.
Wer sind unsere Champions in Bezug auf das Exportwachstum?
Es gibt drei Areas, die sich im Vergleich zu letztem Jahr besonders gut entwickeln: Chile, Mittelamerika und Ecuador. In Chile ist das Wachstum nicht einmal auf Lebensmittel, sondern auf andere Rohstoffe wie Kupfer und Holz zurückzuführen. Der Motor unseres Erfolgs in Mittelamerika und Ecuador ist das Reefer-Segment.
Wie entwickelt sich der Intra American Trade?
Der Intra American Trade war während der Pandemie etwas stärker betroffen, aber die Erholung war fast so stark wie auf den anderen Trades. Wir werden bald komplett aufgeholt haben.
Wie wirkt sich die Währungsabwertung auf unser Geschäft in Ihrer Region aus?
Zunächst einmal ist es wichtig klarzustellen, dass die Abwertung der Währungen in Lateinamerika nicht nur auf die Pandemie zurückzuführen ist. Dieser Trend hatte schon vorher eingesetzt. Aber Sie haben Recht, die meisten Währungen in Lateinamerika haben an Wert verloren. Vor allem der brasilianische Real und der argentinische Peso, aber auch der chilenische Peso. Dadurch sind Exporte billiger, das Importgeschäft hingegen teurer.
Wenn wir uns die Länder ansehen, die am stärksten von COVID-19 betroffen sind, liegen rund 50 Prozent von ihnen in Lateinamerika. Wie wirkt sich die Pandemie in diesen Ländern auf Hapag-Lloyd aus?
Es ist acht Monate her, dass die Pandemie Lateinamerika getroffen hat. Von den zehn am stärksten betroffenen Ländern befinden sich fünf in unserer Region: Brasilien, Kolumbien, Peru, Argentinien und Mexiko. Die Region Lateinamerika ist wahrscheinlich die am stärksten betroffene Region der Welt. Auch wenn sich die Pandemie erst deutlich nach Asien und Europa ausgebreitet hat, haben viele Länder schon früh Maßnahmen eingeleitet. Das bedeutet, dass es hier seit März durchgehend irgendeine Art von Lockdown oder Ausgangssperre gibt. Die Bevölkerung hier hat sehr starke Ausgangssperren hinnehmen müssen. Hier in Chile gilt immer noch eine Ausgangssperre ab 23 Uhr und in einigen Städten gibt es Lockdowns.
Aber es scheint so, als seien Industrie und Unternehmen immer noch aktiv?
In all diesen Ländern ist es systemrelevanten Unternehmen erlaubt, weiterhin tätig zu sein. Die meisten Fabriken dürfen also Waren produzieren, und die Arbeiter dürfen auf den Feldern arbeiten. Fast alle unsere wichtigsten Wirtschaftszweige gelten als systemrelevant. Außerdem sorgen wir dafür, dass die Lieferketten weiterlaufen. Deshalb ist das Geschäft von Hapag-Lloyd nicht so stark betroffen, wie Sie aufgrund meiner bisherigen Ausführungen vielleicht vermuten könnten.
Wie steht es um unserem Ziel, von unseren Kunden als die Nummer eins für Qualität wahrgenommen zu werden?
Es ist vielleicht etwas zu früh, um etwas dazu zu sagen. Besonders in den vergangenen Monaten waren die Kunden sehr auf ihr Geschäft konzentriert. Ich bin allerdings sehr gespannt auf die Ergebnisse unserer nächsten Kundenumfrage, die wir in den nächsten Wochen erwarten. Das wird uns ein sehr klares Bild davon vermitteln, wie unsere Kunden unsere Leistung in dieser herausfordernden Zeit bewerten. Ich bin gespannt auf die Ergebnisse, aber auch zuversichtlich, dass unsere Leistung momentan positiv gesehen wird.
Wie ging Hapag-Lloyd in Punkto Mitarbeiter mit der Pandemie um?
Ich denke, wir haben Großartiges geleistet – nicht nur für das Unternehmen, auch für unsere Mitarbeiter! In Lateinamerika haben wir versucht, die Situation auch positiv zu nutzen. Wir hatten immer engen Kontakt zum Team, wenn auch nur virtuell. Und wir haben zum Beispiel virtuelle Happy Hours veranstaltet. Außerdem haben wir Video-Messages oder kleine Pakete an unsere Kollegen geschickt. Nach dem, was ich gehört habe, haben die Mitarbeiter unsere Bemühungen sehr geschätzt.
Was vermissen Sie persönlich während dieser Pandemie - vermissen Sie Ihr Heimatland Belgien?
Ich bin schon seit vielen Jahren in Südamerika – und ich fühle mich hier zu Hause. Ich vermisse es sehr zu reisen, sowohl geschäftlich als auch in meiner Freizeit. Für mich war es wirklich wie ein Sprung von einem Extrem ins andere. Vor der Pandemie habe ich kaum Zeit zu Hause verbracht. Jetzt bin ich den ganzen Tag zu Hause und gehe wegen der Pandemie fast nie aus. Das Schöne an der Pandemie ist, dass ich mehr Zeit mit meiner Familie verbringen konnte. Meine Tochter studiert in Chile. Mein Sohn, der in den Niederlanden lebt, kam nach Santiago de Chile, als die Pandemie im März ausbrach. Bis September blieb er hier – das war fantastisch. Ich versuche, das Beste aus der Situation zu machen und gesund zu bleiben.