„Hapag-Lloyd hat mich quasi von der Schule abgeholt und genau da hin gebracht, wo ich immer sein wollte“, fasst Jan-Hinrich Behnke seinen Berufsweg vom Abiturienten zum Kapitän zusammen. Warum er der Erste in der Familie ist, der zur See fährt, was man in Vancouver auf keinen Fall verpassen sollte und wie er seine Zukünftige auf dem Pazifik kennenlernte, erzählt er hier.
„Niemand aus meiner Familie ist bisher zur See gefahren und meine Mutter war anfangs überhaupt nicht begeistert von meinem Berufswunsch“, erzählt Kapitän Jan-Hinrich Behnke beim Treffen im Hamburger Hafenmuseum. Hier liegt seit ein paar Wochen die Viermastbark Peking als neue Museumsattraktion am Kai. Ob er die steuern könnte? „Mitfahren würde ich auf jeden Fall, aber zum Segelsetzen braucht man wohl ein anderes Patent“, lacht der 36-Jährige. Und wie kommt man so ganz ohne familiäre Vorbilder zur Seefahrt? „Da habe ich ganz stark den Nord-Ostsee-Kanal unter Verdacht“, grinst Kapitän Behnke: „Als Kind habe ich mit meinen Freunden oft unter der Hochbrücke Hochdonn gespielt und die großen Pötte vorbeiziehen sehen. Einer musste in unserer Familie der Erste sein“, findet der gebürtige Brunsbütteler.
Bewerben, Drähte biegen und loslegen
Jan-Hinrich Behnke bewarb sich gleich nach dem Abitur bei Hapag-Lloyd zur Ausbildung als Schiffsmechaniker. „Beim zweistündigen Vorstellungsgespräch musste ich unter anderem erklären, wie eine Fahrradnabe funktioniert und einen Text mündlich wiedergeben, während ich einen Draht in eine vorgegebene Form bog. Dann kamen ein paar technische Fragen, die ich nicht beantworten konnte – ich hatte kein gutes Gefühl.“ Doch der erlösende Anruf kam, Jan-Hinrich Behnke durfte anfangen. „Hapag-Lloyd mit diesem Mix aus Tradition und Moderne war mein absoluter Favorit!“
Nach den ersten Monaten auf der Berufsschule ging es auf die Frankfurt Express Richtung Singapur. „Unser Ausbildungsschiff, mit dem wir fast neun Wochen unterwegs waren. Zylinderdeckel wechseln, Kolben ziehen, das war richtige schwere Arbeit, aber genau dadurch habe ich viel gelernt!“ so Jan-Hinrich Behnke.
Studium und PAX-Dienste, Vancouver und Mammutbäume
Auf die Schiffsmechanikerlehre folgte das Studium zum Nautischen Offizier in Flensburg. Drei Jahre, die wie im Flug vorbei gegangen seien. „Und während der Semesterferien bin ich weiter als Schiffsmechaniker bei Hapag-Lloyd mitgefahren. Wo sonst kann man gleichzeitig Geld verdienen und Erfahrungen sammeln?“ Nach dem Studium ging es als Zweiter Offizier auf die Kobe Express. „Ich bin dann lange Zeit PAX-Dienste gefahren, also die Drei-Kontinente Tour. Bremerhaven, US-Ostküste, Panamakanal, dann US-Westküste über den Pazifik rüber nach Japan, Hongkong und zurück.“ Die amerikanischen Häfen begeisterten Jan-Hinrich Behnke besonders: „Savannah und San Francisco sind unglaublich interessant!“ Müsste er sich für einen Hafen entscheiden, würde er allerdings Vancouver wählen. „Einerseits hast Du hier eine pulsierende Großstadt mit tollen Läden, Restaurants und Bars, andererseits diese unglaublich faszinierende Natur.“ Behnkes Tipp: „Sollte Corona irgendwann mal vorbei sein, empfehle ich einen Ausflug zur Capilano Hängebrücke, die in 70 Meter Höhe über den gleichnamigen Fluss führt. Unterwegs siehst Du diese riesigen Mammutbäume, kannst dann auch noch hoch zum Cleveland Dam wandern mit einem fantastischen Blick über den Stausee – das ist schon beeindruckend!“
Plötzlich Kapitän und ein kleiner Fehlstart
Dass er mit 35 zum Kapitän befördert wurde, kam unverhofft: „Das war letztes Jahr im Mai, ich wartete auf die Nachricht, wann es als Chief Mate wieder auf die Leverkusen Express gehen sollte, hörte aber nichts. Auch die Mail, die ich schrieb, blieb unbeantwortet. Dann meldete sich unser Personalchef Arnold Lipinski per Telefon: ,Ich wollte Sie eigentlich befördern, Herr Behnke!", damit hatte ich nicht gerechnet!“ Irgendwas müsse er da wohl richtig gemacht haben, erklärt er seine Beförderung mit einer Mischung aus Bescheidenheit und Stolz und fügt hinzu: „Da habe ich auch einiges meinen Chefs zu verdanken!“
Lachend berichtet Jan-Hinrich Behnke von dem kleinen Malheur, das ihm vor Fahrtantritt als frisch gebackener Kapitän in Seattle passierte. „Wir waren startklar, ich redete draußen noch mit den Lotsen, wunderte mich allerdings, warum wir nicht losfuhren. Da klingelte das Bordtelefon: ,Du, Käpt’n, Du müsstest noch den Knopf drücken, sonst kommen wir nicht weg!‘ sagte der Chief Engineer trocken. Ich hatte glatt vergessen, dass ich diesen Button drücken musste, mit dem die Brücke der Maschine das Startsignal gibt.“ Bis auf diesen Mini-Fauxpas verlief seine erste Kapitänstour reibungslos. „Eine wunderbare Sommerfahrt Richtung Südkorea, der Stille Ozean machte seinem Namen alle Ehre. Aber den Unterschied meiner Dienstgrade habe ich sehr wohl gespürt. Es ist einfach was anderes, wenn alle Dich ansehen, wenn es um Entscheidungen geht.“
Sturm und Verantwortung, fremde Gewässer und Teamwork
Bereits auf der zweiten Reise musste der Kapitän seine Erfahrung als Seemann und Führungskraft unter Beweis stellen. „Einer unserer Ingenieure bekam schlechte Nachrichten von Zuhause. Den habe ich sofort ablösen lassen und ihm ein Flugticket organisiert. So musste wir die Distanz nach Seattle ohne Ersatz fahren. Auf der selben Reise gerieten wir dann östlich von Kamtschatka in schwere See, viel schlimmer als vorhergesagt. Als frontal diese gewaltige Wellen auf uns zukamen, das Einsetzen des ganzen Schiffes ins Tal, das war heftig! Da spürst du deine Verantwortung als Kapitän auch körperlich. Jeder Handgriff, jede Entscheidung muss sitzen. So viel Adrenalin hatte ich noch nie im Blut.“ In der Nacht flaute der Sturm ab. Glück gehabt. Aber es sind nicht nur Stürme, die einen jungen Kapitän herausfordern: „Als ich dieses Jahr mit der Callao Express losfuhr, war das ein fast komplett unbekanntes Fahrtgebiet für mich.“ Entsprechend sorgfältig studierte Kapitän Behnke Seekarten und Bücher vor jedem Einlaufen: „Glücklicherweise war meine Crew nicht neu in diesem Fahrtgebiet, da merkt man einmal mehr, was Teamwork ist.“
Beruf nach Plan, Liebe auf Umwegen
Seinen Berufsweg mag Jan-Hinrich Behnke recht eigenständig geplant und durchgezogen haben, aber dass er glücklich mit seiner Freundin Karina liiert ist, hat seine Mutter eingefädelt. „Ich war mitten auf dem Pazifik auf einer meiner PAX-Dienste unterwegs, als ich eine Mail von einer unbekannten Frau bekam. Sie schrieb, ob wir uns nicht mal treffen wollten, wenn ich wieder in Hamburg bin. Am Ende der Mail stand nur, ,Wenn Du wissen willst, wie das kam, musst Du Deine Mutter fragen.‘“ Zurück in Hochdonn erfuhr Kapitän Behnke, was passiert war: „Meine Mutter hatte meine heutige Freundin beim weihnachtlichen Kirchenbesuch angesprochen. Wer sie denn sei und ob sie einen Freund habe. „Und dann hat sie ihr meine E-Mailadresse gegeben.“ Seit acht Jahren sind Jan-Hinrich und Karina ein Paar. Nächste Woche heißt es aber erst mal wieder Abschied nehmen: „Ich übernehme in Hamburg die Santos Express Richtung Südamerika“, berichtet Kapitän Behnke am Telefon. Während es in Europa mit dem zweiten Lockdown losgeht, ist er froh, auf hoher See zu sein.