Innerhalb von rund 2 Minuten sinkt am 12. Januar 1971 die Brandenburg im britischen Ärmelkanal, nachdem sie mit einem zuvor verunglückten Tanker kollidiert. 20 Crew-Mitglieder sterben. Die elf Geretteten verdanken ihr Leben hinzueilenden Fischern. Eine Verkettung unglücklicher Umstände führt zur Tragik.
Schwere Schiffsunglücke wie dieses passieren heute zum Glück nur noch sehr selten. Seit dem Untergang der Brandenburg hat die Sicherheitstechnik in der Schifffahrt einige Sprünge nach vorne gemacht. Das liegt auch an den Lehren aus folgenschweren Unglücken wie diesem.
Die 1950 gebaute zirka 110 Meter lange und 15 Meter breite Brandenburg wurde von Hapag-Lloyd im Hamburg-West-Indien-Dienst eingesetzt. Zwischen Bremen und Kingston, sieben Meilen südlich von Folkestone, kam es zum Unglück: Gegen 7.30 Uhr kollidiert die Brandenburg mit dem Achterschiff des auseinandergebrochenen Tankers „Texaco Caribbean“. Der Tanker war am Vortag mit dem peruanischen Schiff „Paracas“ zusammengestoßen. Die sinkende Brandenburg trieb noch 1.000 Meter weiter. Heute liegt ihr Wrack 1,45 Seemeilen westsüdwestlich der Mid-Varne-Sandbank.
Wie kam es zum verheerenden Ausgang?
Zwanzig Menschen der Brandenburg-Besatzung kamen ums Leben, weil sehr unglückliche Voraussetzungen zusammenkamen: So war zum Beispiel das Tanker-Wrack auf dem befahrenen Wasserweg noch nicht ausreichend gekennzeichnet. Der Funker nahm keine Wrackwarnung der englischen Küstenwache wahr – womöglich, weil er gleichzeitig den niederländischen Wetterbericht abhörte. Bei der Kollision wurde die Brandenburg so stark beschädigt, dass sie innerhalb weniger Minuten unterging. Sie sank so schnell, dass keine Rettungsboote mehr ausgesetzt und die wenigsten Crew-Mitglieder Rettungswesten anlegen konnten. Zudem sind zwei aufblasbare Rettungsinseln nicht aufgeschwommen. Damals waren sie noch nicht mit Wasserdruckauslösern ausgestattet. Auch hatte die Brandenburg – wie die meisten Schiffe ihrer Zeit – noch keine Alarmanlage. Erschwerend hinzu kam, dass der Ärmelkanal Niedrigwasser hatte. Sonst hätte der Frachter das Wrack unbeschadet passieren können. Die Wassertiefe betrug 29 Meter, das auf der Seite liegende Tanker-Wrackteil war 23,75 Meter breit und die Brandenburg hatte einen Tiefgang von 6,43 Meter. Ihr Untergang wurde von Schiffen in der Nähe nicht schnell genug bemerkt. Eine Notmeldung konnte aufgrund eines Stromausfalls der UKW-Anlage nicht abgesetzt werden. Die Wassertemperatur im Januar war extrem niedrig. Nur elf Menschen überlebten.
Hapag-Lloyd flaggte Halbmast und in der Hansestadt fand ein großer Trauergottesdienst statt. Als Dank an die Fischer von Folkestone, die beim Rettungseinsatz halfen, veranstaltete Hapag-Lloyd am 1. März 1971 eine Gedenkfeier im Grand Hotel des britischen Küstenortes. Die Betroffenheit im Heimathafen Hamburg war groß – aber es gab auch einen besonderen Lichtblick: Am 13. September 1971 brachte die Frau des verstorbenen Funkers eine Tochter auf die Welt. Für das Mädchen namens Marret-Eike sammelten die Seeleute 6.600 DM.