Die Pandemie hat zwar den Tourismussektor und die Blumenfarmer schwer getroffen. Aber das Land ist eine wirtschaftliche Drehscheibe nach Ostafrika. Und die Start-Up-Szene in Nairobi boomt.
Als Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vor gut einem Jahr auf Staatsbesuch in Kenia landete, wurde er von einer großen Wirtschaftsdelegation begleitet. Aus gutem Grund: „Das Interesse deutscher Firmen an Kenia und am riesigen Markt der Ostafrikanischen Gemeinschaft wächst“, sagte Steinmeier im Vorfeld der Reise der kenianischen Zeitung „Daily Nation“. Als eine der stärksten Volkswirtschaften sei „Kenia der wichtigste Wirtschaftspartner Deutschlands in Ostafrika.“ Deutschland gehört laut Steinmeier zudem zu den größten internationalen Geberländern zur Armutsbekämpfung im Land.
Und die ist heute nötiger denn je. Das Land leidet wirtschaftlich unter der Corona-Pandemie und die vielen kleinen Bauern ächzen seit Monaten unter gefräßigen Heuschreckenschwärmen. Die derzeitige Heuschreckeninvasion im ländlichen Ostafrika ist die schlimmste seit 25 Jahren. In Kenia haben die fliegenden Insekten schon seit 70 Jahren nicht mehr eine solche Verwüstung angerichtet.
Devisenbringende Safari-Touristen bleiben dagegen aus und der höchst profitable Export von Schnittblumen nach Europa ist quasi zusammengebrochen. Aber rund zwei Drittel der Bevölkerung lebt von dem Geld, das sie am selben Tag verdienen – Reserven gibt es nicht. Rund 350.000 Tagelöhner wurden von den Blumen-Farmen nachhause geschickt, zudem arbeiteten rund 1,5 Millionen Kenianer im Tourismus – bis auf weiteres wissen diese Menschen nicht, wie sie sich und ihre Familien durchbringen sollen.
Aber Kenia wird sich nach Ansicht von Experten von den Plagen schnell wieder erholen. Sehr optimistisch ist die Weltbank. In ihren im Januar 2021 veröffentlichten „Global Economic Perspectives“ geht sie von einem realen Wachstum des Bruttoninlandsprodukts (BIP) in Höhe von 6,9 Prozent aus. Das ist die mit Abstand höchste Wachstumsprognose, die die Weltbank einem Land in Subsahara-Afrikas zutraut. Der Küstenstaat am Indischen Ozean gilt seit langem als Wachstumsmotor der Region, ist mit seinen rund 53 Millionen Einwohnern laut Weltbank ein stabiles und wirtschaftlich aufstrebendes Land in Afrika. Und Kenia ist mit seinem Hafen in Mombasa ein wichtiges Transitland für die Wirtschaft seiner Nachbarn. Bislang stellt deshalb wohl auch kein deutsches Unternehmen seine Aktivitäten in der Region wegen der Corona-Pandemie grundsätzlich in Frage. Dafür ist Kenia mit seiner Funktion als Drehscheibe innerhalb Ostafrikas viel zu wichtig.
In der Hauptstadt Nairobi leben nach offiziellen Schätzungen rund 4,4 Millionen Menschen. Die arbeiten in der Industrie, aber Nairobi hat sich in den vergangenen Jahren auch zu einem IT-Hub in Afrika entwickelt. Insbesondere die dort ansässigen ausländischen Unternehmen und Organisationen fragen IT-Dienstleistungen auf hohem Niveau nach. Es gibt zudem zahlreiche Start-up Hubs und Co-Working Spaces in Nairobi. Beispiele sind Cellulant (Mobile Wallet für Landwirte), Tala (Micro-Sofortkredite über das Smartphone) und Bitsoko (Blockchain Lösung für Mobile Money).
Dieses innovative Gründer-Klima konnte wohl nur entstehen, weil das Land demokratisch und politisch einigermaßen stabil ist. Seit einer umstrittenen Wahl im Jahr 2013 führt Uhuru Kenyatta die Regierung. Er ist der Sohn des Staatsgründers Jomo Kenyatta. Die Republik Kenia zählt zwar noch immer zu den 50 ärmsten Ländern der Welt, liegt aber im Vergleich über dem Durchschnitt der Staaten in Subsahara-Afrika. Steigender Wohlstand ist aber ungleich verteilt.
Das logistische Zentrum des Landes aber ist die Hafenstadt Mombasa. Dort werden nicht nur für Kenia bestimmte Waren wie Motorräder aus Indien und Möbel aus Asien umgeladen. Der Hafen ist neben Daressalam in Tansania auch der zweite große regionale Umschlagplatz für Waren, die für Uganda, Ruanda, Südsudan und Ost-Kongo bestimmt sind. „Allerdings wird derzeit mehr nach Ostafrika importiert als exportiert“, weiß Maneesh Goel, Owner’s Representative bei Hapag-Lloyd für East and North Africa. „Doch die Nachfrage nach Rohstoffen insbesondere Kaffee aus Ostafrika für den europäischen Markt steigt – wir bekommen verstärkt Anfragen unserer Kunden zu unserem China-Kenya-Express (CKX) Dienst.“ Neben Kaffee exportiert Kenia vor allem Tee. Das Land ist mit rund 500.000 Tonnen pro Jahr der größte Teeexporteur der Welt - Tendenz steigend.
Große Hoffnungen setzen die Kenianer auch auf die neue afrikanische Freihandelszone. Die Chancen sind gewaltig. „Diese Freihandelszone schafft einen riesigen Markt und bietet die Möglichkeit für neue Jobs", sagt Lyndia Chinenye Iroulo, Wissenschaftlerin am GIGA-Institut in Hamburg. „Afrika kann damit wirtschaftlich aufholen und die Abhängigkeit vom Rest der Welt verringern.“
Auf dem Kontinent gibt es derzeit noch einen Flickenteppich an Handelsregeln und Zöllen. Das führt zu langen Wartezeiten an den Grenzen, endlosem Papierkrieg. Immer wieder wird Schmiergeld verlangt. Die offiziellen Beschränkungen zwischen den afrikanischen Ländern sind dabei grundsätzlich höher als solche zwischen Afrika und dem Rest der Welt. Laut Statistiken der Welthandelsorganisation WHO macht der innerafrikanische Handel nach aktuellen Zahlen nur 17 Prozent aus. Innerhalb Europas waren es vor kurzem 69 Prozent. Doch jetzt soll alles besser werden. Am 1. Januar startete die afrikanische Freihandelszone (AfCFTA). Insgesamt 54 Staaten mit 1,2 Milliarden Menschen sollen am Ende des Prozesses einen Binnenmarkt bilden. Dann wäre es die größte Freihandelszone der Welt.