Im Juni 2020 wurde Jonathan Pompe zum Kapitän befördert – hier erzählt er, wie man von vom Segelboot aufs Containerschiff kommt, was er auf seiner ersten Fahrt als Kapitän erlebte und warum er mit seiner Familie nach Malaysia zieht.
Kaum wurde er zum Kapitän befördert, schon ging es fünf Monate am Stück auf große Fahrt: „Vancouver, Japan, Singapur, Halifax, dann wieder rüber nach Singapur und wieder zurück nach Halifax, das war schon eine lange Zeit“, erzählt der 35-Jährige. Corona hat 2020 bekanntlich so manchen Fahrplan beeinflusst – Jonathan Pompe nimmt’s gelassen. „Ich hatte ja hinterher genauso lange frei“, erzählt er an Bord der Kyoto Express am Hamburger Container Terminal Altenwerder. „Außerdem fahre ich sehr gern den Asiendienst. Ich mag die asiatische Lebensweise – und meine Frau kommt aus Singapur“, fügt er hinzu. Morgen um 5.30 Uhr geht es allerdings Richtung Indien. Diesmal knapp drei Monate, wenn nichts dazwischenkommt.
Am Anfang war der Baggersee
Jonathan Pompe hat die Liebe zur Seefahrt auf Südsee entdeckt. Aber nicht vor Hawaii, sondern auf dem gleichnamigen Baggersee in Braunschweig nahe der Autobahn. Hier lernte der damals fünfjährige mit seinem Zwillingsbruder Segeln. „Wir waren so oft auf dem Wasser wie es ging, erst mit kleinen Optimisten, später auf Jollen, Katamaranen, Lasern, also auf allem, was unser Braunschweiger Segelverein so hergab. Mein Zwillingsbruder und ich haben dann als Jugendliche das Training der Jüngeren übernommen. Auf den vielen Törns auf der Ostsee habe ich natürlich auch die großen Schiffe beobachtet.“ Zur See fahren, das wäre doch was, dachte sich der Schüler damals. Eine Besichtigung der alten Hamburg Express im Hamburger Hafen gab den letzten Kick. „Ich hab mich dann nach der Schule direkt für die Ausbildung zum Schiffsmechaniker beworben.“ Seinem Vater habe er das erst nach der erfolgreichen Bewerbung bei Hapag-Lloyd gebeichtet: „Er hätte mich gern als Optiker in einem seiner beiden Läden gesehen. Aber ich wollte raus und auf eigenen Beinen stehen – heute ist er stolz auf mich“, freut sich Kapitän Pompe. In Leer studierte er nach seiner gut zweieinhalbjährigen Ausbildung Nautik, dann ging es schnurstracks auf See und von Rang zu Rang nach oben.
Taifun vor Hongkong
Seinen ersten richtigen Sturm erlebte Jonathan Pompe als junger Wachoffizier vor Hongkong. „Das war mit Kapitän Van der Hoff, der damals seine erste Reise auf der Stuttgart Express absolvierte. Wir lagen an der Werft, als sich ein Taifun ankündigte, und mussten auf Anweisung der Behörden sofort raus aus dem Hafen, die Angst vor Beschädigung durch losgerissene Schiffe ist dort sehr groß. Regen, Sturm und hohe Wellen empfingen uns auf dem offenen Meer, es wurde eine lange Nacht für alle. Wir hatten keine Ladung an Bord und das Schiff reagierte sehr instabil. Wir versuchten zu ankern, aber auf Grund des schlechten Wetters hielt der Anker zunächst nicht und erst nach mehreren Stunden waren wir fest am Anker. Am nächsten Morgen hatte sich die See beruhigt und wir zogen den Anker wieder hoch, und mit ihm unzählige Fischernetze und Drähte, die sich in der Ankerkette verfangen hatten. Wir brauchten eine Weile, um alles zu beseitigen.
Die erste Abfahrt als Kapitän und umkehren für einen Erkrankten
Und wie war es, in Vancouver das erste Mal als Kapitän abzulegen? „Ich war ein bisschen angespannt, aber auch superkonzentriert. Leider hatte sich die Hafenreihenfolge durch Corona so verändert, dass ich nur eine kurze Übergabe im Hafen von Vancouver bekam. Aber die Kyoto Express kenne ich noch aus meiner Ausbildungszeit und war auch schon als Schiffsmechaniker hier tätig – jetzt das Sagen zu haben, das ist schon ein tolles Gefühl. Ein paar Tage später erkrankte der Chief Engineer plötzlich. Ich dachte erst, er hätte eine Blutvergiftung. Später stellte sich heraus, dass er sich im Flieger eine Thrombose zugezogen hatte. Also drehten wir wieder um – so habe ich in meiner ersten Woche als Kapitän auch gleich medizinische Erstversorgung gemacht und mein erstes Ankermanöver vor Vancouver ausgeführt.“ Da kein Ersatz für den erkrankten Seemann verfügbar war, übernahm der zweite Ingenieur C. Pappe. „Aber gut fünf Wochen später kam unser Chief Engineer in Kuala Lumpur wieder an Bord. Wir haben uns sehr gefreut, dass es ihm wieder gut ging und wir wieder vollständig waren.“
Jonathan Pompe muss auf seiner ersten Kapitänsfahrt einiges richtig gemacht haben, denn für die zweite Fahrt haben bereits einige Besatzungsmitglieder wieder angeheuert. „Ich mag es familiär, unterhalte mich gern mit den Leuten, meine Tür stand auch schon als Chief Mate immer offen“, erklärt er seinen Führungsstil. Klar müsse man kontrollieren, ob jeder seinen Job auch gut erledigt. „Aber ich mache das mehr so nebenbei, komme mal auf einen Schnack zu den Leuten. Niemand soll das Gefühl haben, dass ich ihm auf die Finger schaue.“ Sein Selbstbewusstsein und seine Offenheit hätten sich aber erst mit der Zeit entwickelt. „Früher war ich eher schüchtern und zurückhaltend, aber die Seefahrt verändert dich. Wenn man viel rumkommt, lernt man auch viel kennen. Heute liebe ich den Small Talk, freu mich, wenn Kunden an Bord kommen und ich mit ihnen eine Führung machen kann. Und ich glaube, es liegt auch ein bisschen an meiner Frau. Ich bin internationaler geworden durch sie.“
Asien – große Liebe in jeder Hinsicht
Kennengelernt hat er seine Frau Sheue Wei K. als junger Schiffsmechaniker in Singapur. „Ich fuhr für eine Reederei, die auf Schwergut spezialisiert war, weil mich interessierte, wie das funktioniert. Drei Wochen lagen wir dort vor Anker. Eines Abends habe ich dann beim Landgang die legendäre Raffles Bar auf einen Drink besucht, da sind wir uns zum ersten Mal begegnet. Als der Kapitän mitbekam, dass ich da jemanden kennengelernt hatte, gab er mir auch mal tagsüber frei. So konnten Sheue Wei und ich mehr Zeit miteinander verbringen – und verliebten uns.“ Das ist jetzt zehn Jahre her und Innenarchitektin Sheue Wei zog nach zwei Jahren Fernbeziehung für ihre große Liebe nach Braunschweig. Die Kinder Karolina und Konstantin sind sechs und fast ein Jahr alt und nach anfänglichem Fremdeln mit den Schwiegereltern, versteht sich Sheue Wei mit ihnen so gut, dass sie sogar bei der Innengestaltung des Optikerladens geholfen hat. Längst spricht sie fließend Deutsch. Ihre Urlaube verbrachte die junge Familie meist in Süd-Ost-Asien. Nicht nur um Verwandte zu besuchen, sondern auch um Land und Leute zu erkunden. „Wir reisen wahnsinnig gern, Backpacking mit Kind ist einfach großartig! Außerdem mag ich die asiatische Mentalität, die Offenheit, mit der die Menschen einander begegnen. Da muss man sich nicht zum Kaffee verabreden, man kommt einfach vorbei.“
Und das könnte ab Juli öfter passieren, denn dann ziehen die Pompes mit Kind und Kegel nach Malaysia. „Mein Schwiegervater braucht mehr Hilfe und wir haben beschlossen, nach den vielen Jahren in Braunschweig auch mal in der Heimat meiner Frau leben. Wir ziehen nach Johor Bahru gleich gegenüber von Singapur, da ist das Leben entspannt und günstiger. Karolina freut sich auch schon auf unseren neuen Lebensabschnitt, sie spricht dank meiner Frau auch Mandarin.“ Jonathan Pompe wird die Containerschifffahrt jetzt erstmals als Kunde kennenlernen, denn Möbel, Haushaltsgeräte und Spielzeug werden im Sommer in einem Container die Reise antreten. Hapag-Lloyd will er in jedem Fall treu bleiben, kann sich auch vorstellen, mal als Joker einzuspringen, wenn in Singapur kurzfristig ein Kapitän gebraucht wird. Auf seinen Arbeitgeber lässt der gut gelaunte Mann ohnehin nichts kommen: „Hapag-Lloyd ist eine der besten deutschen Reedereien, das sollte wirklich jeder wertschätzen. Von der Verpflegung und dem Leben an Bord, über die 1:1-Regelung beim Fahren bis hin zu einer einzigartigen und harmonischen Zusammenarbeit zwischen Schiff und Land. Das gibt es so bei keiner anderen Reederei!“