Die große Zeit der Passagierschifffahrt in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts ist verbunden mit eindrucksvollen Bildern berühmter Schiffe und Menschen. Viele dieser Bilder stammen von Fotografen, die die Reisen an Bord begleiteten – Richard Fleischhut war einer von ihnen.
Geboren 1881 im pommerschen Köslin, ließ zunächst nichts erahnen, dass Richard Fleischhut einen Großteil seines Berufslebens auf hoher See verbringen würde. Der junge Mann begeisterte sich für Fotografie und ließ sich darin ausbilden, doch als Beruf erschien ihm das Metier beim damaligen Stand der Technik als zu unsicher, weshalb er eine Konditorlehre anschloss. Mit dieser Qualifikation ergatterte er 1905 eine Stelle an Bord des Schnelldampfers „Kronprinz Wilhelm“ des Norddeutschen Lloyd.
Neben seiner Arbeit in der Küche ging er jedoch weiter seiner Leidenschaft nach und verdiente sich mit dem Verkauf fotografischer Arbeiten ein Zubrot. Die Reederei ließ ihn gewähren – offenbar hatte sie sein Talent wie auch den Zuspruch der Passagiere erkannt. Eine angebotene Laufbahn als Oberkoch schlug er aus, stattdessen konnte er sich ab 1907 an Bord ausschließlich der Fotografie widmen und tat dies für mehr als 30 Jahre. Der Zweite Weltkrieg beendete diese Karriere abrupt.
Mittendrinn statt nur dabei
Der Arbeitsort Schiff bot dem Lichtbildner ein vielseitiges Betätigungsfeld: Die Passagiere freuten sich an ausgefeilten Porträts wie auch treffenden Momentaufnahmen und nahmen gern Ansichten ferner Länder als Andenken mit. Doch auch die Besatzung, das Schiff und das Meer mit seinem Spiel aus Wellen, Wolken und Sonnenlicht waren ihm beliebte Motive. Auf zahlreichen Linien- und Kreuzfahrten besuchte Fleischhut im Laufe der Zeit alle Kontinente.
Fleischhut ging Berichten zufolge engagiert und mit Mut zum Risiko zu Werke. Vom Mast aus suchte er die besondere Perspektive, erst im letzten Moment sprang er auf die Gangway des abfahrbereiten Schiffs. Für Sturmaufnahmen setzte er sich den Elementen aus – eine Sturzsee schleuderte ihn eines Tages gegen die Reling und riss seine Kamera davon. Blessuren erinnerten ihn daran noch Wochen später. Solche Hingabe brachte ihm einen Spitznamen ein: „der Allgegenwärtige“.
Nach und nach entwickelte Fleischhut eine persönliche Bildsprache, die schon früh moderne Stilelemente aufwies und durch die seine Berufstätigkeit die Form einer Kunstausübung annahm. Dies hob ihn von seinen Kollegen ab. Über das bloße Abbilden hinaus gelang es ihm zudem oft, das Wesentliche eines Gegenstands in seinen Bildern aufscheinen zu lassen.
„Mr. Wonderful“ und die Stars
Als 1929 der neue Transatlantik-Schnelldampfer „Bremen“ des Norddeutschen Lloyd auf Jungfernfahrt ging, auf der er das imaginäre „Blaue Band“ für die schnellste
westgehende Überquerung errang, war Fleischhut an Bord, ebenso auf über 150 weiteren Reisen des berühmten Luxusliners. Auf ihm tummelte sich ein glamouröses Reisepublikum mit viel internationaler Prominenz, und Bordfotograf Fleischhut wurde Bildchronist einer mobilen transatlantischen Szene, die die schnellere Alternative des Luftverkehrs noch nicht kannte.
Filmstars wie Cary Grant, Marlene Dietrich und Buster Keaton, Musiker wie Sergei Rachmaninoff, Wladimir Horowitz und Fred Astaire, Prominenz aus Politik und Wirtschaft wie Franklin D. Roosevelt und Henry Ford finden sich neben vielen anderen auf seinen Bildern. In der entspannten Bordatmosphäre näherte sich Fleischhut den Menschen mit Demut und Verehrung – so gelangen „Mr. Wonderful“, wie er auf der „Bremen“ genannt wurde, Aufnahmen von besonderer persönlicher Intensität.
Seine letzten Bilder
Doch der Nationalsozialismus in Deutschland warf seine Schatten auch auf ihn: Unter Hinweis auf den jüdischen Mädchennamen seiner Frau sowie sein eigenes „auffällig freundliches Verhalten gewissen prominenten Reisenden gegenüber“, gemeint waren Juden, musste er seine Tätigkeit auf der „Columbus“ jenseits der Transatlantikroute fortsetzen. Mit der Selbstversenkung dieses Schiffes im Dezember 1939, die er noch im Bild dokumentierte, endete Fleischhuts Karriere als Bordfotograf.
Vor 70 Jahren, am 14. Juni 1951, starb Richard Fleischhut. Er gilt als besondere Erscheinung unter den Bordfotografen seiner Zeit und hinterließ ein eindrucksvolles künstlerisches Erbe, das heute im Deutschen Historischen Museum in Berlin verwahrt wird.