Wenn der Container gebucht ist, sorgen unsere Kollegen von Marine Operations weltweit dafür, dass die Ladung unserer Kunden effizient an Bord unserer Schiffe verstaut wird und nach Fahrplan im gewünschten Zielhafen eintrifft. Mit ihrem 56-köpfigen Team aus Stauplanern, Fahrplanhütern und Port Superintendants, plant und begleitet Marine Operations Direktorin Anja Giessmann bis zu 45 Schiffe gleichzeitig auf ihrer Reise durch Europa – vom Mittelmeer über Tanger in Nordafrika bis nach St. Petersburg in Russland – und das rund um die Uhr. In unserem Interview erklärt uns die 37-jährige was man bei der Planung von Schiffen alles beachten muss, warum sich Kühl- und Gefahrgutcontainer nicht so gut vertragen und was aus operationeller Sicht ganz oben auf ihrer Wunschliste steht.
Anja, du leitest seit über 2 Jahren die Abteilung Marine Operations und bist in dieser Position für 4 Teams mit über 50 Kollegen in Nord- und Südeuropa verantwortlich. Wie genau muss man sich deinen Job vorstellen?
Allein aufgrund der Größe meiner Teams ist immer gut was los (lacht). Wir sind quasi das ausführende Glied der internen Logistikkette und koordinieren Verladung, Stau und Transport unserer Container an Bord der Schiffe, hauptsächlich vom Büro aus. Neben 35 Stauplanern in Hamburg und Genua gehören die Experten aus dem Regional Coordination Committee (RCC) Europe zu meinem Team, die potenzielle Risiken für Zeitverzögerungen, wie extremen Wetterbedingungen so früh wie möglich entgegensteuern. Eins meiner Teams ist für die Eingabe und Pflege der Longterm und Coastal Schedules zuständig, sodass FIS auf dem neuesten Stand ist und die Kunden immer die aktuellsten Fahrplaninformationen auf der Website einsehen können. Seit letztem Jahr verantworten wir ferner die Etablierung vom Terminal Partnering mit ausgewählten Terminals, inklusive der Vollzeit Port Superintendents, die vor Ort an den Terminals ansässig sind. Sie sind der verlängerte Arm der Abteilung, um gemeinsam effizienter zu werden.
Das klingt nach einer sehr vielseitigen Aufgabe. Was fasziniert dich besonders am operativen Geschäft?
Jeder Tag steckt voller Bewegung und kein Tag gleicht dem anderen, das macht es so unglaublich spannend. Unsere Arbeit basiert zwar auf akkurater Planung unserer Küstenfahrpläne sowie Staupläne der Schiffe, wir müssen aber mindestens genauso viel Raum für Flexibilität freihalten. Das mag jetzt erstmal paradox klingen, aber unberechenbare interne und externe Faktoren, wie nicht genügend Leerequipment an den Terminals, kurzfristiger Wegfall von Ladung, interne Umbuchungen, Kranausfälle oder extreme Stürme beeinflussen unsere Planung enorm und müssen oft berücksichtigt werden. Deshalb arbeiten wir eng mit verschiedenen internen und externen Partnern zusammen, wie dem Trade Management, den Port Terminal Operations Kollegen in den Areas und stehen natürlich im engen Austausch mit der Crew unserer Schiffe.
Deine Teams (und die anderen Marine Operations Teams weltweit) sorgen dafür, dass die Ladung unserer Kunden im Zielhafen ankommt. Was sind die ersten Schritte in der Stauplanung eines Containerschiffes?
Die Reisen unserer Schiffe haben wir nach dem Regionsprinzip aufgeteilt, wir in Europa übernehmen also alle Schiffe auf unseren Europa Diensten ab dem Suez Kanal, dem Panama Kanal oder der amerikanischen Ostküste oder Karibik – beobachten aber schon im Vorfeld genau, ob es zu Verspätungen kommt, die Liegeplätze im Terminal vorhanden sind oder ein „Speed up“ notwendig ist. Circa 48h vor Ankunft im ersten Hafen legen wir dann mithilfe der finalen Ladungsdaten, des Fahrplans und den Besonderheiten des Schiffes die wichtigsten Parameter für unsere Planung fest. Dazu zählt zum Beispiel der Crane Split, also die Anzahl der einsetzbaren Containerbrücken für die schnellstmögliche Be- und Entladung der Container an Bord unserer Schiffe.
Wie ist die Aufgabenverteilung bei der Planung?
Basierend auf den Zahlen der Sales-Kollegen verteilen zunächst den verfügbaren Platz auf dem Schiff (Prestow-Planung). Dafür legen wir Position und Gewicht der Container an Bord fest und auch wie wir diese übereinanderstapeln, eine Möglichkeit ist zum Beispiel der Mix Stow (auch Russian Stow genannt) bei dem 40 Fuß Container auch über 20 Fuß Container gestapelt werden können. Jeder der einmal den Wohnort gewechselt hat und Umzugskartons transportiert hat, weiß aber, dass das etwas Geschick erfordert. Die Planung geben wir dann an das Terminal weiter, der diese dann mit „realen“ Containern verheiratet. Dabei sind wird und auch der Terminal die ganze Zeit im engen Austausch mit dem Chief Mate an Bord, der für die Ladung verantwortlich ist. Letztendlich ist Stauplanung wie 4-dimensionales Tetris (lacht).
Welche weiteren Faktoren müssen bei der Planung eines Schiffes beachtet werden?
Neben der maximalen Auslastung ist das oberstes Ziel das Schiff während seiner gesamten Reise seetauglich zu halten und gleichmäßig zu belasten. Auch bei starkem Seegang darf das Schiff nicht umkippen und keine Ladung verlieren. Dafür müssen die Ladungsmengen, sprich das Gesamtcontainergewicht, die Positionen der Container an Bord - im Laderaum oder an Deck - und Tiefgang optimal aufeinander abgestimmt sein. Mithilfe spezieller Stauplanungssoftware und Laschprogrammen können unsere Planner die auftretenden Kräfte im Schiff und an der Ladung genau berechnen, um jederzeit einen sicheren Zustand zu gewährleisten.
Hapag-Lloyd transportiert Ladung aller Art in unterschiedlichsten Stahlboxen vom 20 Fuß Standardcontainer bis hin zum Spezialcontainer. Welche Rolle spielt die Art der Ladung um das Schiff stabil zu halten?
Ein guter Cargomix ist absolut wichtig für die Stabilität des Schiffes. Aber verschiedene Arten von Ladung bedingen die Auslastung des Schiffes. Der Platz an Bord ist je nach Schiffsklasse und Gegebenheiten begrenzt, was wiederum den Cargomix einschränkt. Gefahrgüter zum Beispiel sind häufig an Deck eingeplant, wo auch Kühlcontainer stehen könnten. Überdimensionale OOG Ladung, wie z. B. Maschinen, wird häufig unter dem Lukendeckel platziert, damit sie geschützt verstaut wird, nimmt aber Platz für andere Ladung. Hinzu kommt, dass sich nicht alle Ladungstypen auch untereinander vertragen. Kühlcontainer kann man zum Beispiel nicht mit brennbaren oder explosiven Gefahrgütern zusammenstellen, das würde aufgrund des Kühlaggregats am Reefer nicht gut gehen. Die Crux ist es immer gut abzuwägen, welche Spezialgüter man auf einem Schiff transportieren kann. Denn von allem möglichst viel mitnehmen geht leider nicht.
Warum nicht? Vor welche Herausforderungen stellen euch Gefahrgüter, wie beispielsweise Explosivstoffe?
Der Stau der Ladung an Bord muss den internationalen, nationalen und internen Sicherheitsvorschriften entsprechend, die bei Gefahrgütern unbedingt eingehalten werden müssen. Beim Transport von besonders gefährlichen Explosivstoffen der Klasse 1, wie beispielsweise Feuerwerkskörpern, müssen alle anderen zu ladenden Container an Bord um die Bedürfnisse dieser einen Box herum geplant werden, was natürlich sehr komplex ist. Sie müssen mit genügend Abstand zu anderen Gefahrgutcontainern stehen und für Notfälle jederzeit zugänglich sein. Für uns ist es das wichtigste rechtzeitig über spezielle Gefahrgüter informiert zu werden, um den übrigen Stau von Anfang an dafür vorzubereiten.
Die Coronakrise hat den internationalen Welthandel und globale Lieferketten auf den Kopf gestellt. Durch Produktions-, Ressourcen und Kapazitätsengpässe weltweit kommt es immer wieder zu langen Wartezeiten in den Häfen, die Verspätungen unserer Schiffe zur Folge haben. Inwieweit hat sich eure Arbeit durch Corona verändert?
Grundsätzlich gehören externe, unberechenbare Faktoren, die sich nicht beeinflussen lassen, zu unserem Tagesgeschäft, wie zum Beispiel Streiks, Stürme, Maintenance an Terminals. Durch die Pandemie haben diese Faktoren eine andere Dimension erreicht, jetzt fallen häufig Hafenmitarbeiter aufgrund Quarantäne oder geplanter Impfungen aus, die sich dann auf unsere Schiffe auswirken.
Trotz der durch Covid-19 bedingten Herausforderungen hat Hapag-Lloyd kürzlich die Initiative „Fahrplanzuverlässigkeit“ gestartet, um volle Transparenz in der Einhaltung unserer Fahrpläne zu gewährleisten. Welcher Mehrwert schafft das für die operationelle Praxis?
Wir haben einige Maßnahmen umgesetzt, die darauf abzielen unsere Fahrpläne im Voraus auf realistische Verspätungen hin anzupassen und die Kunden schon zwischen 10-7 Wochen vor geplanter Ankunft des Schiffes im Zielhafen über mögliche Verspätungen zu informieren. Mit diesem Frühwarnsystem kann der Kunde besser planen. Auch die Häfen profitieren davon, denn so können verfrühte Anlieferungen von Exportcontainern vermieden werden.
Über Anja Giessmann
Ihre Leidenschaft für die Schifffahrt und das operative Geschäft entwickelte die gebürtige Wulfsenerin (bei Winsen an der Luhe) bereits in ihrem dualen Studium an der Wirtschaftsakademie Hamburg (heute: HSBA Hamburg School of Business Administration). Nach Stationen im Network & Cooperations, Yield Management und dem Equipment in der Area Germany wechselte sie dann 2015 zu Marine Operations in der Region Nordeuropa, wo sie seit 2019 in der Position als Director Marine Operations tätig ist, eine perfekte Symbiose aus ihren bisherigen Stationen, wie Anja es selbst beschreibt. In ihrer Freizeit entspannt sie beim Yoga. Im Oktober erwartet sie gleich doppeltes Glück. Sie wird Mutter von Zwillingen.