Niklas Ohling, Senior Director Container Steering bei Hapag-Lloyd , über die Entwicklung der Containerflotte von Hapag-Lloyd und was ihm gegenwärtig die größten Kopfschmerzen bereitet.
Niklas, der skurrilste Vorwurf gegen Containerreedereien wie uns lautet ja derzeit, dass wir absichtlich Container verstecken, um die Raten künstlich hochzuhalten. Also verrate es uns bitte: wo versteckst du unsere Container?
(lacht) Kein einziger ist versteckt. Unsere Container sind zum überwiegenden Teil auf Schiffen, Zügen oder Trucks unterwegs – und das voll mit Ladung. Treiber ist insbesondere der Bedarf an 40 Fuß Containern. Mehr als 80% dieser Container befindet sich im Einsatz oder der Repositionierung in ein Bedarfsgebiet. Weniger als 20% der Flotte befinden sich leer in einem Depot oder Terminal. In China, dem Wachstumsmotor schlechthin, wo wir am meisten Bedarf haben, fahren wir tatsächlich nur auf Sicht.
Die Ineffizienzen im Verkehr steigen mit dem Handelsvolumen. Im Durchschnitt ist jeder fünfte bis sechste Container auf unseren Schiffen leer. Das heißt, wenn wir in unserer Flotte heute zwölf Millionen TEU-Bewegungen haben, müssen wir fast zweieinhalb Millionen Leercontainer-Bewegungen realisieren. Und das allein zwischen den Kontinenten. Dazu kommen noch Bewegungen innerhalb der Regionen und Länder.
Unsere Kund:innen sagen dann: „Ihr könnt doch Container leasen oder kaufen.“ Wieso tun wir das nicht?
Das machen wir doch. Und sogar so intensiv wie nie zuvor. Alleine in 2020 und 2021 wird unsere Flotte abzüglich der Ausmusterungen um 438.000 TEU wachsen. Wir haben weit über eine Milliarde USD investiert. Der Leasingmarkt für Container ist quasi leergefegt, und die Containerproduzenten in China auf Monate ausgebucht. Zudem haben sich die Preise für Neubauten aufgrund der hohen Nachfrage in den letzten Monaten mehr als verdoppelt.
Hättest du dir jemals vorstellen können, dass die Container einmal nicht ausreichen würden?
Nicht in diesem Ausmaß. Es gibt immer kritische Punkte im Kalender, wie das chinesische Neujahr oder die Golden Week, wenn in China landesweit Betriebsferien sind. Dann steigt der Bedarf kräftig. Und danach gibt es auch wieder Flauten. Das sind jedes Jahr wieder ziemliche Herausforderungen. Nach der Finanzkrise 2009 haben wir übrigens eine ähnliche Entwicklung mit extrem hoher Nachfrage gesehen, aber in dieser Intensität und auch über so einen langen Zeitraum gab es das noch nie. Wir erleben eine Vollauslastung – jede Box ist im Einsatz.
Was sind im Moment eure größten Baustellen?
Das sind in erster Linie die Boxen, die mit Ladung unterwegs sind. Die Umlaufzeiten haben im Vergleich zu 2019 um 20 Prozent zugenommen. Im Durchschnitt hatten Container damals eine Transitzeit von 50 Tagen, bis sie uns wieder leer zur Verfügung standen. Wir sind aktuell bei 60 Tagen im Schnitt – und das schon seit mehr als 12 Monaten. Im Juli hatten wir den Peak mit 62 Tagen erreicht. Das heißt: eigentlich bräuchten wir 20% mehr Container, um die Nachfrage zu befriedigen.
Im letzten Jahr haben wir viele empty loaders nach China gefahren, also Schiffe, die ausschließlich mit Leercontainern gefüllt waren…
Ja, das stimmt, wir hatten sehr viele empty loaders. Diese Option ist gegenwärtig eingeschränkt, weil es zu wenig Schiffskapazitäten gibt. Ab und zu nutzen wir noch Positionierungs-Reisen von Schiffen, aber deutlich weniger als sonst.
Wenn Container ans Ende ihrer Lebenszeit angekommen sind, was kann mal alles damit machen?
Wir haben schon alles gesehen. Container als Stauraum für Sportvereine oder Schrebergärtner. Ein ganzes Haus aus Containern oder ein Badezimmer, das in einen Container gebaut und dann ins Apartment integriert wurde. Hier in Hamburg gibt es ein Hotel, dessen Meetingraum ein alter 40 Fuß Container von Hapag-Lloyd ist. Mein Favorit ist aber ein Container als Brückenpfeiler. Inzwischen schicken mir Kollegen und Freunde, meist aus dem Urlaub, immer wieder Bilder von ausgemusterten Containern an ungewöhnlichen Orten - auf fast 4,000m in den Anden oder sogar in der Wüste.
Sollten Sie einen ausrangierten Hapag-Lloyd Container sehen, der ungewöhnlich genutzt wird: senden Sie uns ein Foto (
[email protected]). Die besten Fotos werden wir in einer der nächsten Lookout Ausgaben veröffentlichen.