Torben Cordes sprüht nur so vor Begeisterung, sobald er von seinem Beruf erzählt. Und das liegt möglicherweise auch an den Kapitänen bei Hapag-Lloyd, die ihm die Seefahrt beibrachten. „Ohne diese Förderung wäre ich heute nicht da, wo ich bin“, erzählt der gebürtige Brunsbütteler dankbar. Kapitän auf Probe wurde er 2020 auf der „Santos Express“, danach folgte die Beförderung. Was er von seinen Vorbildern gelernt hat, wie er die Mannschaft auch in schwierigen Zeiten bei Laune hält und worauf er nicht verzichten kann, wenn er nachhause kommt, erzählt er hier.
Kapitän Torben Cordes ist ein echtes Küstenkind: Aufgewachsen in Dithmarschen am Nord-Ostsee-Kanal, der Vater ein begeisterter Segler, im Freundeskreis der Familie Lotsen, Seefahrer und Wasserschutzpolizisten. „Ich habe schon in die Freundschaftsbücher in der Grundschule als Berufswunsch Kapitän geschrieben“, erzählt der 37-Jährige lachend. Trotzdem bewarb er sich nach dem Abitur erst mal zum Polizeistudium in Kiel. „Das hatte viel mit meiner Jugendarbeit im Sportverein und beim Deutschen Roten Kreuz zu tun. Die Vorstellung, als Polizist gesellschaftlich meinen Beitrag zu leisten, das hat mich gereizt!“ Ein Sportunfall kam dazwischen und so durfte er das Studium nicht antreten – im Nachhinein eine glückliche Fügung, wie er findet. „Danach fuhr ich zweigleisig: In Elsfleth schrieb ich mich als Student für Nautik ein und startete das sechsmonatige Praxissemester, in Hamburg bewarb ich mich zeitgleich bei Hapag-Lloyd für die Ausbildung zum Schiffsmechaniker.“ Mitten im Praktikum – Torben Cordes fuhr für die Reederei Rörd Braren auf dem Mehrzweckfrachter „Bremer Anna“ – lud ihn Hamburgs Traditionsreederei zum Bewerbungsgespräch ein. „Ich bin an der Brunsbütteler Schleuse ausgestiegen, zum Ballindamm gefahren und hinterher wieder an Bord gegangen.“ Die Zusage kam kurze Zeit später. „Wohl auch, weil die gleich gesehen haben, dass da jemand wirklich fahren will“, so der Kapitän. Das Praxissemester auf See möchte er nicht missen. „Ich war damals der einzige Deutsche an Bord des Trampschiffes, Bordsprache war gefühlt nur Russisch und ich verstand eigentlich nur ,Dawei, dawei‘ was so viel wie ,Los, los!‘ heißt. Kreuz und quer ging es über die Nord- und Ostsee. Holz, Papier, Baumstämme, Paletten mussten wir selbst laschen, also Ladeluken auf und rein mit dem Zeug! Und wenn du dann vor Schweden oder Finnland mit dem Schiff einfrierst und der Eisbrecher dich freischaufeln muss – das waren schon beeindruckende Erlebnisse. Eine harte Schule insgesamt, aber für mich genau richtig!“
Begegnung mit einem Riesen, Sandsturm vor Damietta
Vom 90 Meter langen Mehrzweckfrachter ging es zur Ausbildung bei Hapag-Lloyd auf die fast viermal so große „Chicago Express“. Torben Cordes: „Als ich das erste Mal im Maschinenraum stand, war ich überwältigt. Und erst recht oben auf der Brücke – ich konnte mir gar nicht vorstellen wie man so einen Riesen steuern sollte. Aber unser Kapitän Bernd Etzien sagte nur: ,Das schaffen wir schon‘ und nahm uns unter seine Fittiche. Ihm habe ich unendlich viel zu verdanken!“ Die Augen des Kapitäns leuchten, als er von den ersten Landgängen mit seinem damaligen Chef in Singapur berichtet: „Er fuhr mit uns zum Fischkaufen in seinen Lieblingsladen, wo er uns dem Besitzer vorstellte und wir erst mal einen Kaffee bekamen. Wir fühlten uns akzeptiert, auch wenn wir nur kleine Azubis waren!“
Bernd Etzien war es auch, der ihn vor zwei Jahren ermunterte, sich um die Beförderung zu kümmern. „Er sagte nur: ,Torben, Du kannst das, und wenn Du es wirklich willst, unterstütze ich Dich!‘ Diese Mischung von Geben und Nehmen, von Fördern und Fordern und die Erkenntnis, dass es nur gemeinsam geht: „Das habe ich von Kapitän Etzien, aber auch von den Kapitänen Uwe Fiedler und Krzystof Kaplon gelernt“, berichtet Torben Cordes. Kapitän Kaplon ist ihm in dieser Hinsicht in bester Erinnerung: „2018, als ich noch Chief Mate war, gerieten wir mit der „Hannover Express“ vor Damietta in einen heftigen Sandsturm. Wir konnten die Hand vor Augen kaum sehen, wurden praktisch gesandstrahlt. Sechs Schlepper versuchten uns an die Pier zu kriegen, vergeblich. Und schon beim Einlaufen musst du durch den sehr engen Kanal manövrieren“, berichtet Torben Cordes: „Plötzlich sagte Kapitän Kaplon ,Chief Mate, ich gehe einen Moment rein, Du übernimmst.‘ – Nach kurzer Zeit war er natürlich wieder da und wir haben uns dann abgewechselt, so dass wir nicht beide draussen im Sandsturm stehen mussten und einer von der Brücke aus unterstützen konnte. Dass er mir zutraute, diese Situation, auch wenn es nur wenige Minuten waren, allein zu meistern – stark! Gemeinsam haben wir dann das Schiff sicher in den Hafen gebracht.“
Herausforderung angenommen! Erst Kapitän auf Probe dann rein in den Sturm
Verantwortung zu übernehmen, das hat Torben Cordes schon immer Spaß gemacht. Ob als Klassensprecher, in der Jugendgruppe oder im Sportverein. „Ich kümmere mich gern um Leute, mag es, wenn ein gutes Gemeinschaftsgefühl entsteht – und okay, ich bin auch gern Chef“, grinst der Kapitän. Im Mai 2020 stellte er genau das auf der „Santos Express“ unter Beweis. „Wir waren auf dem Weg von Cartagena nach Caucedo, als unser Kapitän erkrankte“, erzählt Torben Cordes. „Er hatte nichts Ernsthaftes, aber zur Sicherheit musste er ins Krankenhaus. Die ganze Reise über hatten wir schon Witze gemacht, weil ich mit meiner Neugier mehr in seinem Büro als in meinem war. Kurz vor Santo Domingo saßen wir dann zusammen und er sagte: ,Torben, wir haben jetzt 20 Minuten für die Übergabe – was willst du wissen?‘, dann war ich plötzlich erster Mann an Bord. Natürlich hatten wir alles kurzfristig mit unserem Flottenmanagement in Hamburg geklärt, dennoch war das eine echte Ausnahmesituation für mich.“ Für einen Moment wird Torben Cordes nachdenklich: „Da fährt dein Kapitän plötzlich im Krankenwagen mit Blaulicht davon und du kannst niemanden mehr fragen, was als nächstes zu tun ist.“ Die Überfahrt nach Rotterdam funktionierte reibungslos, auch weil alle an Bord zusammenhielten, glaubt Torben Cordes. „Bei diesem Kapitän gab’s samstags immer Waffeln und Kaffee auf der Brücke, das haben wir beibehalten und die ganze Besatzung dazu eingeladen. Und als er Fotos aus dem Krankenhaus schickte, habe ich natürlich die Crew informiert, dass es ihm gut gehen würde. Die Beförderung folgte nach der Reise auf der „Santos Express“.
Starkwinde und Schneemannsglück, Schwitzattacken und ein Cocktailabend
Gerade mal zwei Tage Kapitän in Kanada, schon kam die Meldung von Starkwinden in Takoma. „Mit ordentlich Seitenwind aus dem Sund rauszufahren ist nicht ohne, da war ich schon aufgeregt. Als mich der Lotse fragt, seit wann ich Kapitän sei, war ich ehrlich – er hat mich dann besonders sorgfältig begleitet. Dann schipperten wir 300 Seemeilen mit der „Sofia Express“ hoch bis nach Prince Rupert, wo uns der Wind richtig erwischte“, berichtet der Kapitän: „Wir haben die folgenden fünf Monate trotz schlechten Wetters und vieler Wartezeiten bestens gemeistert.“ Gemeinsam etwas an Bord zu unternehmen, auch mal zu fragen, ,Hey, wie geht es Dir‘, egal ob den Oiler oder den Zweiten Offizier, das gehört für Torben Cordes dazu. „Wenn jemand traurig ist, will ich wissen warum – einfach um zu schauen, was ich tun kann.“ So war ein Wiper an Bord, dessen Vertrag wegen Corona zum fünften Mal verlängert werden musste. „Der ist bei mir im Büro in Tränen ausgebrochen, was ich verstehen konnte. Aber ich konnte ihn auch trösten und Mut machen. Und als wir Weihnachten vor Busan feierten, Spiele spielten und oben auf der Nock mit Schneemann und Weihnachtsmützen Fotos machten, lächelte auch der Wiper wieder – das sind für mich ganz wichtige Momente.“
Auch auf der Reise mit der „Berlin Express“ von Mai bis Juli diesen Jahres wusste er, wie er die strapazierte Mannschaft wieder motiviert: „Nach zwei Wochen Werftzeit in Dubai bei brütender Hitze, unendlich viel Arbeit und so gut wie keinem Tag, an dem man mal entspannen konnte, habe ich kurzerhand beschlossen, einen Cocktailabend als kleines Dankeschön zu organisieren. Wir besorgten Lebensmittelfarben und ein bisschen Deko und haben dann den farblich passenden Cocktail ,Flag Of The Philippines‘ erfunden, natürlich alkoholfrei, speziell für unsere Wachgänger. Einfach mal an einem Sonntag auf See alle zusammen zu sitzen und Zeit zu verbringen – das hat die Leute wieder motiviert! Es geht nur gemeinsam und wenn alle an einem Strang ziehen und glücklich sind“, findet der leidenschaftliche Seefahrer.
Glück mit Familie, Surfbrett und Brötchen
Und was macht ihn persönlich glücklich? Natürlich könnte er jetzt die fantastischen Ausflüge mit dem Mountainbike in San Francisco erwähnen, oder das Frühstück am Strand in San Antonio südlich von Valparaiso, das er sich mit einem befreundeten Kollegen gönnte. „Aber das mag man den Auszubildenden heute gar nicht erzählen – die durften coronabedingt bisher nicht einmal von Bord. Ich hoffe sehr, dass sich das bald ändert,“ so der Kapitän. Glück bedeutet für Torben Cordes auch das Nachhausekommen: „Wenn das letzte Stück der Heimreise ansteht und ich mit unserem Schiff bei Brunsbüttel auf der Elbe fahre, winken vom Ufer meine Eltern, in Stade kann ich mein Patenkind mit der Hupe begrüßen und wenn wir am Alten Land vorbeifahren, sehe ich als erstes meine Frau am Lühe Anleger winkend mit ein paar Freunden oder Nachbarn stehen und kann unser Zuhause sehen. Sogar die Großeltern meiner Frau kriegen in Neu-Wulmsdorf mit, dass ich wieder da bin. Ein schöneres Begrüßungskomitee kann ich mir nicht vorstellen!“ freut sich der Kapitän. Im Alten Land, wo er mit seiner Frau wohnt, relaxt er in seiner freien Zeit beim Heimwerken mit Holz oder verbringt Zeit mit seiner Familie und seinen Freunden. Und wann immer es möglich ist, geht’s zum Windsurfen. „Sobald ich auf dem Brett stehe, kann ich komplett abschalten!“ Gibt es ein Ritual, wenn er nachhause kommt? „Als erstes esse ich immer ein Rosinenbrötchen mit Zwiebelmett – sehr lecker! Das sollte jeder mal probieren.“