Die Welt hält ihren Atem an! Die Grausamkeit des Krieges reißt tiefe Wunden in unsere Gesellschaft. Tote, Verletze und Millionen Menschen auf der Flucht – eine schwere Stunde in unserer Geschichte. Wir haben mit Oleksandr Dobrovolski, Manager Business Administration in unserem Hapag-Lloyd Büro in Odessa gesprochen, der es wortwörtlich in letzter Sekunde über die Grenze geschafft hat und somit seine Familie in Sicherheit bringen konnte. In einem Interview schildert er uns seine Erfahrungen seit der Invasion des Putin Regimes.
Oleksandr, zunächst einmal, wie geht es Ihnen und Ihrer Familie und wo befinden Sie sich im Moment?
Als der Krieg begann, schnappte ich mir meine Frau und meine Kinder und floh über die Grenze, kurz bevor am nächsten Tag verkündet wurde, dass alle Männer zwischen 16 und 60 Jahren gemäß dem von unserer Regierung und unserem Präsidenten verhängten Kriegsrecht bleiben müssen. Seit gut einem Monat befinde ich mich zusammen mit meiner Familie in Genoa, Italien. Mit der großartigen Unterstützung meiner Kolleginnen und Kollegen, habe wir die erste Phase des Schocks und der Verzweiflung überwinden können. Trotzdem lastet eine große Bürde auf mir und meiner Familie. Insbesondere meiner Frau und meinen beiden Töchtern, zwei und neun Jahre alt, merkt man eine große Unsicherheit und Last an. Meine älteste fragt immer wieder, wann sie wieder zurück zu ihren Freundinnen in die Heimat in Odessa kann, um in die Schule und in den Unterricht zurückzukehren. Momentan nimmt Sie an einem Online-Unterricht teil – in denen jeden Morgen eine Gedenkminute unseren gefallenen Soldaten und Zivilisten gewidmet wird. Meine oberste Priorität ist die Sicherheit meiner Familie. Es war nicht einfach für mich, mein Land und meine Heimat hinter mir zu lassen.
Sind unsere Kollegen, die sich noch in der Ukraine aufhalten, sicher und wohlauf?
Unser gesamtes Team ist miteinander verbunden; wir tauschen uns wöchentlich über die aktuelle Lage in der Ukraine und die Situation der einzelnen Teammitglieder aus. Alle Kolleginnen und Kollegen sind zum jetzigen Zeitpunkt wohlauf. Vierzehn von 20 unserer Kollegen befinden sich noch im Landesinneren – viele von ihnen in Odessa oder nahe der europäischen Grenze. Zurzeit gibt es keine vollständig gesicherten Orte. Allerdings bieten die jetzigen Standorte mehr Geborgenheit als andere Landesteile im Osten oder Nordosten der Ukraine wie Mariupol, Kiew und Charkiw.
Können Sie die aktuelle Situation in der Ukraine aus Ihrer Sicht beschreiben?
Krieg in vollem Umfang! Die Bombardierung von Städten, vor allem von zivilen Infrastrukturobjekten, der wirksame Widerstand des ukrainischen Militärs und der durch Propaganda genährte Hass, den ich persönlich als Völkermord an den Ukrainischen Menschen bezeichnen würde.
Was sind Ihre persönlichen Erfahrungen seit dem Beginn der Invasion?
Zum einen empfinde ich tiefste Enttäuschung, weil ich jeden Tag das Leid der einfachen Menschen, der Frauen und Kinder miterleben muss. Aggressionen gegenüber den Schwächsten von uns, mit einer Grausamkeit, die seines Gleichen sucht. Das, was zurzeit passiert reißt tiefe Wunden in unsere Gesellschaft! Dennoch empfinde ich auch tiefsten Respekt gegenüber unseren Streitkräften, Verteidigern und unserem Volk, das jeden Tag, jede Stunde, jede Minute und jede Sekunde für das Fortbestehen der Ukraine kämpft.
Es gibt eine weltweite Solidaritätsbewegung – wie erleben Sie sie?
Ich bin mit dem Auto nach Genoa gefahren, habe mit meiner Familie zusammen innerhalb von vier Tagen fünf Länder durchquert und überall die Unterstützung der einfachen Menschen für die Ukrainer:innen erlebt. Für mich gibt es keinen großen Unterschied zwischen Ukrainer:innen, Slowen:innen und Italiener:innen – wir alle haben Familien, Jobs und Hobbys; unsere Kinder gehen zur Schule. Wir wurden aus unserem Alltag gerissen und das Leben von 40 Millionen Menschen inmitten Europas wurde durch die Grausamkeit und den krankhaften Ehrgeiz einer Gruppe von Menschen aus dem Osten zerstört. Das ist erschreckend, und es kann in jedem anderen Land passieren. Ich glaube fest daran, dass wir nur durch die Solidarität und Einheit von uns dem Leid ein Ende setzen können.
Innerhalb der Hapag-Lloyd-Familie wurden mehrere Hilfsaktionen gestartet. Was denken Sie darüber?
Wir erhalten so viel Unterstützung wie möglich. Wir sind stolz darauf, Teil der Hapag-Lloyd-Familie zu sein und danken allen Mitarbeitern aus tiefstem Herzen. Ich war ehrlich gesagt schockiert, welches Level der Unterstützung uns entgegnet wurde. Meine Familie, meine Kolleginnen und Kollegen und ich durften mit Leib und Seele erfahren, wie der Wert „We care“ gelebt wird.
Welche zusätzliche Unterstützung können wir Ihnen geben?
Die Unterstützung, die wir erhalten, ist mehr als genug, wir sind aufrichtig dankbar dafür. Ich kann nur daran appellieren, so weiter zu machen, denn wir sind nicht die einzigen, die Kummer erfahren. Millionen Menschen sind in schwer zu erreichenden Regionen oder auf der Flucht in und außerhalb unseres Heimatlandes.
Was wäre Ihre Botschaft an unsere Hapag-Lloyd-Familie?
Wir alle sind Menschen, und natürlich kommt tiefes Verständnis nur dann auf, wenn es Ihr Land, Ihre Heimat und Ihre Zukunft betrifft. Ihre Freundlichkeit, Ihr Interesse und Ihre Unterstützung sind ein Lichtblick, der uns hilft, diese schrecklichen Ereignisse zu überwinden. Ich danke Ihnen dafür.