Als Chief Mate ging Ole Stücker im Juli 2021 von Bord, als Kapitän und frisch gebackener Ehemann stieg er Anfang Oktober wieder ein. Wie es zur Hochzeitsreise in der Südsee kam, was er auf seiner ersten Fahrt als Kapitän erlebte und warum „Grütze unter der Mütze“ nicht schadet, erzählt er hier
Das mit der Hochzeitsreise in der Südsee ist schnell erklärt: „Meine Freundin und ich haben Ende August 2021 geheiratet, kurz darauf erhielt ich mein Beförderungsschreiben. Ich sollte Anfang Oktober mit der „Sofia Express“ losfahren, wir entschieden uns deshalb für eine Woche Segeln in der Dänischen Südsee. Für alles andere war die Zeit zu knapp“, berichtet Kapitän Ole Stücker. Der Sommer vergangenen Jahres gehört zu den aufregendsten seines Lebens: „Die ganze Hochzeitsplanung und unsere Heirat, dazu parallel die Gespräche am Ballindamm. Ich hatte signalisiert, dass ich bereit bin, aber dann erst mal nichts gehört. Plötzlich ging es schnell. Als mir Mitte September die Epauletten am Ballindam überreicht wurden – das war schon sehr bewegend.“ Mit 33 Jahren Kapitän zu werden sei heute keine Seltenheit mehr, erzählt Ole Stücker. „Aber du musst nach wie vor alle Ränge durchlaufen. Nach fünf Jahren als Erster Offizier fühlte ich mich der Verantwortung gewachsen. Die Gespräche am Ballindamm drehten sich vor allem darum, ob ich sicher bin, dass ich Kapitän sein will. Das konnte ich definitiv bejahen!“
Wasser ist sein Element
Das Maritime liegt bei Ole Stücker in der Familie. Vom Opa bis zum Vater – alle sind segelverrückt. „Und mein Urgroßvater war Kapitän – leider habe ich ihn nicht mehr kennengelernt“, erzählt der gebürtige Itzehoer. Als Sechsjähriger steuerte Klein Ole seinen ersten Optimisten, in der Schulzeit beteiligte sich der Jugendliche an Regatten. Er gewann diverse Medaillen und arbeitete nach dem Abitur als Bootsmann für internationale Regatta-Teams. „In dieser Funktion bist du für die ganze Vor- und Nachbereitung, den Transport der Yachten etc. verantwortlich. Ich konnte das auch während meines Zivildienstes und der Ausbildungs- und Studienzeit machen. Und natürlich lernst du eine Menge, wenn du mit Werften, dem Service im Hafen und unterschiedlichen Teams zu tun hast.“ Erfahrungen, die der Kapitän nicht missen möchte. Seine Entscheidung, zur See zu fahren und das Segelboot gegen die Containerschifffahrt zu tauschen, hat er nie bereut.
Die Fahrt auf der „Kuala Lumpur Express“ – alles zum ersten Mal
Besonders gern erinnert sich Ole Stücker an seine erste Ausbildungsfahrt auf der „Kuala Lumpur Express“ 2009: „Das war wie eine Klassenreise, wir kamen ja alle direkt von der Schule, die meisten hatten keine Ahnung von der Welt. Alles war das erste Mal: der Suezkanal, die Sonnenaufgänge über dem Meer, das erste Mal Singapur und China. Dazu die fantastischen Landausflüge – und so ganz nebenbei gab’s unglaublich viel Knowhow durch unsere Lehrbeauftragten.“ Für den Kapitän ist das ein Alleinstellungsmerkmal von Hapag-Lloyd: „Ich bin sicher, als Auszubildender wirst du bei keiner anderen Reederei besser betreut und ausgebildet.“
Nautischer Offiziersassistent, Wachoffizier, Chief Mate: Ole Stücker kletterte die Karriereleiter in rund zwölf Jahren bis zur Kapitänsernennung hinauf und erlebte dabei keine größeren Katastrophen: „Auf dem Pazifik hatte sich mal ein Kran losgerissen, aber nichts weiter beschädigt und in meiner Zeit als Chief Mate haben wir im Hafen von Seattle mal einen maroden Poller abgerissen. Das Schiff lag quer im Hafen, bis uns freundlicherweise ein zufällig vorbeifahrender Schlepper wieder an die Pier drückte. Und dann erinnere ich mich noch an einen Maschinenausfall im Hafen von Hongkong, mit dem wir notfallmäßig auf die Reede gebracht werden mussten – insgesamt alles halb so wild.“
Das erste Mal Kapitän: aufregend, aber entspannt
Und wie war sie nun, die erste Reise als Kapitän? „Aufregend natürlich. Die „Sofia Express“ startete ab Hamburg, ich hatte bis Rotterdam Übergabe. Die Mannschaft kannte ich nicht, aber mit dem Chief Mate hatte ich schon zusammengearbeitet, er hatte mich vor Jahren vom Zweiten zum Ersten Offizier eingearbeitet – auf den konnte ich mich blind verlassen. Von London nach Antwerpen verspäteten wir uns wetterbedingt, auf dem Weg von Tanger-Med zum Suezkanal fiel das Radargerät aus und musste vor der Durchfahrt des Kanals repariert werden. Die Arbeitstage wurden länger und der Schlaf weniger, aber meine Euphorie hat mich die ganze Zeit getragen. Und wenn Du dann zurückkommst und in die Elbmündung einfährst, vorbei an Cuxhaven, Brunsbüttel und Glückstadt, die Leute am Ufer stehen und winken, das ist unbezahlbar!“, findet Kapitän Ole Stücker. In Hamburg will er, sobald möglich, wieder Freunde aufs Schiff einladen, um ihnen seinen Arbeitsplatz und das Leben an Bord zu zeigen: „Denn wirklich beschreiben kann man das nicht, das musst du erlebt haben!“
Mit seiner Ernennung zum Kapitän schließt sich für Ole Stücker auch familiär ein Kreis. „In unserer Familie kursieren immer noch unendlich viele Geschichten über meinen Urgroßvater und seine Zeit auf See. Und ich besitze ein Erbstück von ihm, ein kleines Silbertablett mit Schnapsgläsern, das er zum 25. Dienstjubiläum bekommen hat. Auf dem Tablett ist ein Spruch eingraviert, an den ich gerade jetzt als Kapitän immer wieder denken muss: ,Etwas Grütze unter der Mütze ist was nütze, doch das Beste – ist ein echtes Seemannsherz unter der Weste.“