Seit zweieinhalb Jahren fährt Sasa Giljaca bei Hapag-Lloyd als Kapitän. Hier erzählt der gebürtige Montenegriner, wie es sich anfühlt, nach vielen Jahren bei anderen Reedereien zu Hapag-Lloyd zu wechseln und warum er sich dafür ins Kinderzimmer einschloss.
Wenn man aus Montenegro kommt, ist der Weg zur Seefahrt nicht weit. „Fast jede Familie hat hier Seeleute in der Verwandtschaft“, erzählt Sasa Giljaca. „Bei uns war das mein Großvater. Leider starb dieser vor meiner Geburt. Als ich später zur See fuhr, traf ich tatsächlich Seeleute, die ihn noch kannten und nur Gutes erzählten, das hat mich sehr gerührt“, lächelt der 40-Jährige. Wir sind am Hamburger Burchardkai auf der „Al Zubara“ verabredet. 400 Meter lang, 59 Meter breit, 19.870 TEU. In zwei Tagen geht es rüber nach China. Sasa Giljaca freut sich auf ein paar Stunden im Seemannsclub und ein bisschen Sightseeing in der Hansestadt. Seit zweieinhalb Jahren fährt der Kapitän für Hapag-Lloyd. „Die Reedereien, für die ich vorher gefahren bin, waren alle in Ordnung, da gibt es nichts zu meckern. Aber bei Hapag-Lloyd sind die Standards in jeder Hinsicht unübertroffen“, findet der Kapitän: „Weiterbildung, Onlinekurse, Videoforen und Trainings an Bord, das habe ich so noch nicht erlebt. Auch das Essen ist um Klassen besser, hier wird sich einfach sehr gut um alle Seeleute gekümmert.“
Erinnert Er sich noch an das erste Schiff, mit dem er als junger Mann gefahren ist? „Ja, klar, das war die MOL Golden Wattle bei der japanischen Reederei Mitsui O.S.K. Lines, bei der ich direkt nach meiner nautischen Ausbildung anfing. Viele Jahre hatte ich auch von einer Fußballkarriere geträumt, die ich jedoch verletzungsbedingt aufgeben musste. Als es mit der Bewerbung klappte, passte alles zusammen. Im November 2004 saß ich im Flugzeug nach Singapur.“ Von der Kleinstadt Kotor in eine Metropole mit rund 5,7 Millionen Einwohnern – für den damals 22-Jährigen ein Abenteuer. „Und von der Schifffahrt hatte ich auch noch keine Ahnung. Zum Glück saß neben mir im Flieger ein Offiziersanwärter, der schon eine Fahrt hinter sich hatte, er hat mich gut vorbereitet,“ erzählt Sasa Giljaca. Mit der „MOL Golden Wattle“ ging es von Singapur über Malaysia Richtung Australien: „Die Häfen von Adelaide, Melbourne, Perth – ein Traum!“ Australien ist für den 40-Jährigen einer der schönsten Orte der Erde. „Die Menschen sind locker und freundlich, niemand ist übermäßig gestresst. Von dieser Lebensweise sollten wir uns alle eine Scheibe abschneiden.“ Ein junger Maschinist unterbricht das Interview, er braucht ein paar Unterschriften für erledigte Reparaturen. Sasa Giljaca quittiert zügig, grinst über die vielen Unterschriften und Stempel, die hier nötig sind: „Herrlich, dieser Papierkram!“
Sein Leben sei eigentlich immer entspannt verlaufen, berichtet er: „Als es nach einem Jahr bei Mitsui nicht weiterging, bewarb ich mich bei einer israelischen Reederei. Freunde hatten mich vor der strengen Einstellungsprozedur gewarnt, aber es ist alles perfekt gelaufen. Auf dem Weg nach Hause klingelte schon mein Handy. Ich hatte den Job und landete zwei Wochen später auf der ,Zim Jamaica‘ Dass Sasa Giljaca sich schon damals in Sachen Nautik auskannte, belegt eine kleine Anekdote: „Bei der Zertifizierung meines Patents für die israelische Flagge hatte man mich versehentlich für den Ersten Offizier gehalten – und da ich alles richtig beantwortet hatte, hielt mir der Überbringer ungläubig das Zertifikat hin. ,Ich dachte, Sie sind Dritter Offizier?‘, fragte er verwirrt. Und natürlich fuhr ich dann auch als Dritter.“ Parallel zur israelischen Reederei hatte sich Sasa Giljaca bei Mediterranean Shipping Company (MSC) beworben. Hier parkte man seine Bewerbung, versprach aber, sich zu melden, wenn etwas frei würde. 2007 war es dann so weit: „Ab da hieß mein Schicksal ,Schnelle Beförderung‘. Nach einer Fahrt wurde ich Zweiter, nach vier Fahrten war ich Chief Mate, nach sechs weiteren Fahrten mit 33 Jahren Kapitän.“
Seine Erste Fahrt als Kapitän forderte ihn dann gleich doppelt. „Wir lagen im Hafen von Seattle und brachen Richtung Oakland auf, als das Wetter schlechter wurde. Ich war vorher auf dem größten Schiff der Reederei unterwegs, bekam jetzt aber aufgrund der Beförderung erstmal ein kleineres mit 5.600 TEU. Als wir den Hafen verließen, verschlechterte sich die Wetterlage noch mal. Die kleineren Schiffe war ich nicht mehr gewohnt – ihre Stabilität ist mit der der großen nicht vergleichbar. So fuhren wir mit einem weniger stabilen Schiff in eine noch instabilere Wetterlage. Eineinhalb Tage kämpften wir uns durch die Wellen, musste einen regelrechten Zickzackkurs fahren, weil die Dünung auch von der nahen Küste zurückkam. Das war meine Feuertaufe.“
Zwölf Jahre arbeitete Sasa Giljaca für MSC. „Eine Zeit, in der ich alles gelernt habe, was ein Seemann braucht. Dann entdeckte ich online eine Stellenausschreibung von UASC, schickte meine Bewerbung und wurde prompt zum Bewerbungsgespräch geladen. Ich war zu dieser Zeit zu Hause. Um ungestört zu sprechen, hatte ich mich im Zimmer unseres kleinen Sohnes ein geschlossen“, grinst der dreifache Vater. „Am nächsten Tag bekam ich eine Mail, dass ich ein zweites Vorstellungsgespräch haben würde. War das eine zweite Chance? Ein weiterer Test? Ich hatte keine Ahnung, was auf mich zukam. Dann saß ich vor dem Rechner und mir gegenüber Friedrich-Jan Akkermann von Hapag-Lloyd. ,Keine Sorge, wenn Sie uns sehen, haben Sie es eigentlich schon geschafft.‘ Klar musste ich mich noch mal vorstellen, aber es war alles viel lockerer. ,Sie haben Ihre Lizenz an der Bar gemacht?‘, fragte mich Friedrich-Jan Akkermann grinsend. Bar heißt die Stadt, wo das Zertifikat ausgestellt worden war – er machte einfach nur einen Witz.“
Drei Einsätze Fuhr Sasa Giljaca bisher, alle ohne Komplikationen, von Covid-19 und den daraus resultierenden Verspätungen mit der „Umm Salal“ auf seiner ersten gut sechsmonatigen Fahrt mal abgesehen. Die Wartezeiten vor den Häfen während der Pandemie überbrückte er mit Barbecues, die es vorher lange nicht mehr an Bord gegeben hatte. „Meine Eltern betreiben in der Nähe von Kotor ein kleines Grill-Restaurant, ich habe ein super Burger-Rezept von zu Hause. Das gab ich unserem Koch. Nun grillen wir mindestens einmal im Monat alle zusammen.“ In der Freizeit spielt er mit der Crew Basketball oder auch mal Videospiele. Um fit zu bleiben, absolviert er regelmäßiges Cardiotraining. Was Sasa Giljaca bei Hapag-Lloyd am meisten beeindruckt, ist der respektvolle und freundliche Umgang der Menschen miteinander: „Egal welcher Rang, egal ob an Land oder auf See und unabhängig von der Nationalität: Hier achtet jede und jeder auf jeden. Und ich kann genau das tun, was mir wichtig ist: für meine Crew da sein, wann immer sie mich braucht.“
Auf seinen Social-Media-Kanälen hat Sasa Giljaca eine kleine Geschichte geteilt, die viel über sein Selbstverständnis aussagt:
Sasa Giljaca, Kapitän"Als ich zum ersten Mal Kadett war, wusste ich eine ganze Menge. Dann wurde ich Dritter Offizier und wusste alles. Dann wurde ich zum Zweiten Offizier befördert und merkte bald, dass ich nicht so schlau war, wie ich dachte. Als ich zum Ersten Offizier befördert wurde, wusste ich, dass ich noch viel zu lernen hatte. Dann wurde ich Kapitän, und mir wurde klar, wie viel Wissen mir noch fehlte. Aber das machte nichts, denn mein Dritter Offizier wusste alles."