Die Hälfte der Kameruner leben von der Landwirtschaft. Gleichzeitig versucht die Regierung mit Infrastruktur-Investitionen zum Schwellenland zu werden. Sie nutzt dazu die Öleinnahmen. Doch die Armut ist groß.
Reisen nach Afrika sind gerade sehr hipp: Ägypten, Äthiopien, der Kongo aber auch kleinere Länder Kamerun rücken in den diplomatischen Fokus. Es geht dabei um mehr wirtschaftliche Zusammenarbeit aber auch um Rohstoffe wie Uran, Mangan, Öl und Gas. Der russische Außenminister Sergei Lawrow war da, der französische Präsident Emmanuel Macron war da, und auch US-Außenminister Anthony Blinken. Die Länder, die er besuchte, waren sorgfältig ausgewählt: Südafrika, die Demokratische Republik Kongo und das Nachbarland Ruanda standen im Sommer auf Blinkens Reiseplan.
US-Präsident Joe Biden lädt zudem afrikanische Staats- und Regierungschefs für Dezember zu einem Gipfel nach Washington ein. Die diplomatischen Offensiven zeigen, welche wichtige ökonomische wie auch politische Rolle Afrika in der nahen Zukunft spielen wird.
Ein wichtiges Ziel der Amerikaner ist, alte Verbündete in Zeiten der geopolitischen Spannungen wieder näher an die Vereinigten Staaten zu binden. So zumindest sieht es Daniel Silke, politischer Analyst in Südafrika: „Die drei großen Supermächte wetteifern gerade alle um die Aufmerksamkeit Afrikas, sowohl aus politisch-diplomatischer Sicht als auch mit Blick auf Rohstoffexporte." Der Hauptgeschäftsführer des deutschen Afrika-Vereins, Christoph Kannengießer ist zudem sicher: „Es geht um Ressourcen und Absatzmärkte.“
Ein kleines Land wie Kamerun könnte bald eine sehr viel wichtigere Rolle spielen. Unter den Staaten der zentralafrikanischen Regionalorganisation CEMAC ist Kamerun das wirtschaftlich stärkste Land. Trotz Corona, Bürgerkrieg oder stark gestiegener Lebensmittelpreise wird das reale Wirtschaftswachstum voraussichtlich von 3,4 Prozent im Jahr 2021 auf 3,6 Prozent im Jahr 2022 und 4,4 Prozent im Jahr 2023 steigen, schreibt etwa Fitch Solutions Country Risk & Industry Research in einem vor kurzem veröffentlichten Bericht. Fitch Solutions prognostiziert außerdem, dass „die Fortschritte bei großen Verkehrs- und Energieinfrastrukturprojekten die Investitionen ankurbeln werden."
Dazu gehört auch der von den Chinesen in Kamerun gebaute Tiefseehafen Kribi. Der soll mit viel chinesischem Geld weiter zum größten Drehkreuzhafen in Zentral- und Westafrika - also auch für die Rohstoffe aus dem Kongo - ausgebaut werden. Kribi wird seit der Übernahme der niederländischen Containerreederei Nile Dutch Investments vor einigen auch von Hapag-Lloyd regelmäßig angelaufen. „Der Kontinent bleibt für uns ein wichtiger strategischer Markt“, sagte Hapag-Lloyd-Chef Rolf Habben Jansen anlässlich der endgültigen Genehmigung der Übernahme von Nile Dutch durch die Kartellbehörden.
Rohöl, Holz und landwirtschaftliche Produkte wie Kakao sind derzeit die wichtigsten Exportprodukte des Landes. Vieles wird nach China verschifft, aber auch die ehemalige Kolonialmacht Frankreich ist ein großer Abnehmer. Deutschland liefert vor allem gebrauchte Kraftfahrzeuge, Verpackungsmaschinen, Baumaschinen sowie Nahrungsmittel und Chemikalien.
„Auf wirtschaftlicher Ebene dürften der Ausbau der Infrastruktur, insbesondere in den Bereichen Energie, Telekommunikation und Verkehr (Autobahnen, Straßen, Flughäfen, Häfen) sowie die Ratifizierung des AfCFTA-Abkommens die lokale Produktion stärken, den Handel beschleunigen und das Wirtschaftswachstum des Landes ankurbeln. Der direkte Zugang zum Atlantik, den der Tiefseehafen von Kribi bietet, dürfte zu einem Anstieg der Ausfuhren von Erzeugnissen wie Rohkautschuk und Mineralien führen“, sagt Gilbertine Wafeu, Country Manager Kamerun der Hapag-Lloyd AG.
Der Hafen von Kribi liegt etwa 285 km von der Hauptstadt Yaounde entfernt - strategisch günstig im Zentrum des Golfs von Guinea und ist von dem 262 Quadratkilometer großen Industriegebiet Kribi umgeben. Einige internationale Konzerne haben sich hier angesiedelt, auch deutsche Unternehmen sind dabei. Die Regierung um den langjährigen 89jährigen Staatspräsident Paul Biya investiert kräftig in den Ausbau seiner Infrastruktur, um die Rahmenbedingungen für private Unternehmen zu verbessern und die Rohstoffvorkommen im Land besser zu nutzen.
„Die Kombination aus Qualität der Infrastruktur und Know-how der Hafenbetreiber garantiert Schiffen und Gütern im Transit durch diesen intelligenten Hafen einen Service auf höchstem internationalen Niveau. Hapag-Lloyd kann deshalb Ladungen im Hafen von Kribi sicher und mit deutlich geringeren Verzögerungen als zuvor umschlagen. Darüber hinaus bietet der Hafen von Kribi durch seine Lage im Herzen des Golfs von Guinea einen einfachen Zugang zum Tschad und zur Zentralafrikanischen Republik. Schließlich ist er auch ein natürlicher Knotenpunkt für alle Seetransporte zu anderen Häfen im Golf von Guinea“, bestätigt Gilbertine Wafeu.
Kamerun galt lange als Stabilitätsanker in der Region. Dieser Status ist durch die überall grassierende Korruption und die zunehmenden Spannungen zwischen den englischsprachigen Separatisten und der Regierung aber ins Wanken geraten. Die kamerunische Regierung will trotzdem bis 2035 den Status eines Schwellenlands erreichen. Laut Weltbank lebt derzeit aber noch fast jeder vierte Kameruner unterhalb der Armutsgrenze und hat täglich weniger als 1,9 US-Dollar zur Verfügung.
Kamerun ist wie die übrigen Staaten auf dem Kontinent ein junges Land und hat einen der größeren Binnenmärkte in Afrika. Knapp 62 Prozent der fast 25 Millionen Einwohner sind jünger als 25 Jahre. Sie fordern vor allem Ausbildung und Arbeitsplätze. Laut Internationaler Arbeitsorganisation (ILO) waren 2017 insgesamt 8,7 Prozent der 15- bis 24-Jährigen ohne Job. Rund die Hälfte der Erwerbstätigen ackert in der Landwirtschaft, die 23 Prozent des Bruttoinlandprodukts ausmacht, 28 Prozent steuert die Industrie bei und 49 Prozent die Dienstleistungen. Vor allem der in den letzten Monaten stark gestiegene Rohölpreis dürfte der der Regierung nun ermöglichen, ihre ehrgeizigen wirtschaftlichen Wachstums- und Investitionspläne mit mehr Ehrgeiz zu verfolgen – und damit auch mehr Arbeitsplätze zu schaffen.