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Wie macht Hapag-Lloyd seine Flotte klimaneutral?

Nachhaltigkeit steht ganz oben auf der Liste der Prioritäten von Hapag-Lloyd. Bis 2045 soll unsere gesamte Flotte klimaneutral fahren. Eine entscheidende Rolle spielt dabei der Kraftstoff für unsere Schiffe. Für einen klimaneutralen Antrieb gibt es schon zahlreiche Ansätze. Doch lassen sich diese künftig auch in der Praxis anwenden? Wir haben die Experten unserer Flotte gefragt.

In diesem Jahr 2023 werden in unserer Schiffsflotte die ersten Neubauten mit Dual-Fuel-Antrieb einsatzbereit sein. Das heißt, sie können sowohl mit herkömmlichem Kraftstoff als auch mit Liquefied Natural Gas (LNG) betrieben werden. LNG hat das Potenzial, beim Schiffsantrieb die CO2-Emissionen um 15 bis 20 Prozent und die Schwefeldioxid- und Feinstaubemissionen um mehr als 90 Prozent zu reduzieren.

Der Betrieb mit fossilem LNG ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber letztendlich nur ein Übergangsbrennstoff zur Klimaneutralität. „Die wirklich wichtige Entscheidung ist, was die zukünftigen Kraftstoffe sein werden,“ sagt Lutz-Michael Dyck, Senior Director Strategic Asset Projects. „Es ist vieles möglich, aber es kostet viel Geld und Zeit, um Lösungsansätze zur Industriereife zu bringen.“ Georg Eljardt, Director Fleet Analytics & Technical Optimization, fügt hinzu: „Allein wird Hapag-Lloyd die Wende zur Klimaneutralität nicht schaffen – das muss mit Partnern im Markt passieren. Noch fehlen Infrastruktur und internationale Richtlinien und Regularien.“

Lutz-Michael Dyck, Senior Director Strategic Asset Projects

„Die wirklich wichtige Entscheidung ist, was die zukünftigen Kraftstoffe sein werden. Es ist vieles möglich, aber es kostet viel Geld und Zeit, um Lösungsansätze zur Industriereife zu bringen.“

Klimaneutral und wettbewerbsfähig
Bei dem Kraftstoff der Zukunft gibt es große Unsicherheit in der Branche. Im Gespräch sind unter anderem Ammoniak und Methanol – doch es zeichnet sich ein Favorit ab. „In der Container- und Passagierschifffahrt ist Ammoniak im Augenblick kein Thema – die Sicherheitsbedenken sind einfach noch zu groß,“ sagt Lutz-Michael Dyck. „Für Methanol und LNG sind die Weichen bereits gestellt. Dahin wird in der näheren Zukunft die Reise gehen. Wir müssen jedoch auch wettbewerbsfähig bleiben. Methanol kostet dreimal so viel wie Compliant Fuel – also fossiler Kraftstoff mit einem geringen Schwefelgehalt. Wir können die Kosten für klimaneutrale Antriebe nicht alleine tragen.“ Silke Muschitz, Senior Director Fleet Management, stimmt zu: „Ich gehe davon aus, dass wir als Gesellschaft und als Konsumenten zunehmend bereit sein werden und bereit sein müssen, Mehrkosten für einen nachhaltigen Transport zu tragen. Dabei ist aber auch zu berücksichtigen, dass die Transportkosten für das einzelne T-Shirt oder den Fernseher nur geringfügig verteuern würden.“

Weniger CO2-Ausstoß mit Carbon Capture?
Auch das Auffangen und Speichern von CO2 – das sogenannte Carbon Capture – könnte eine Möglichkeit sein, Emissionen zu reduzieren. „Carbon Capture kann durchaus eine Zukunft in der Schifffahrt haben, denn wir werden zunächst noch fossile Kraftstoffe nutzen,“ sagt Christoph Thiem, Deputy Head of Strategic Asset Projects. „Die Herausforderung ist es, das aufgefangene CO2 auf den Schiffen unterzubringen.“ Lutz-Michael Dyck fügt hinzu: „Wenn wir Container wettbewerbsfähig transportieren wollen, können wir momentan nicht viel CO2 speichern.“

Zwar gibt es zahlreiche weitere Ansätze für klimaneutrale Antriebe, doch das heißt nicht, dass diese in der Praxis alle umsetzbar sind. „Oftmals herrscht der Gedanke vor, dass eine Technologie, die im kleinen Maßstab funktioniert, nur skaliert werden muss, um für die Schifffahrt anwendbar zu sein,“ sagt Christoph Thiem. „Doch in der Realität funktioniert das häufig nicht. Ein Problem ist nicht gelöst, nur weil jemand in einer Excel-Tabelle grünes Licht gibt. Man muss sich beispielsweise im Klaren sein, wie viel grüner Strom für die Herstellung von klimaneutralem Kraftstoff gebraucht würde, um Containerschiffe damit anzutreiben.“

Christoph Thiem, Senior Marine Engineer / Deputy Head of Strategic Asset Projects

„Schon bevor wir auf einen klimaneutralen Treibstoff umstellen, müssen wir alles tun, um möglichst wenig davon zu verbrauchen. Hinter den Kraftstoffen steht ein enormer Aufwand. Deshalb werden wir unsere bestehende Flotte weiterhin optimieren, zum Beispiel durch eine Kombination von Umbau- und Modernisierungsmaßnahmen mit verstärktem Fokus auf einen verbrauchsoptimierten Schiffsbetrieb."

Effizienz bleibt relevant
„Es gibt viele Fragen auf der technischen Seite,“ sagt Georg Eljardt. „So steht auch auf längere Sicht nicht ausreichend nachhaltig produzierter Bio-Kraftstoff zur Verfügung, um zum Beispiel allein damit unsere selbst gesetzten Dekarbonisierungsziele zu erreichen.“ Wenn eine Möglichkeit gefunden ist, die Schiffe klimaneutral anzutreiben, heißt das also nicht, dass auf eine effiziente und energiesparende Bauweise verzichtet werden kann. „Das Gegenteil ist der Fall,“ sagt Christoph Thiem. „Schon bevor wir auf einen klimaneutralen Treibstoff umstellen, müssen wir alles tun, um möglichst wenig davon zu verbrauchen. Hinter den Kraftstoffen steht ein enormer Aufwand. Deshalb werden wir unsere bestehende Flotte weiterhin optimieren, zum Beispiel durch eine Kombination von Umbau- und Modernisierungsmaßnahmen mit verstärktem Fokus auf einen verbrauchsoptimierten Schiffsbetrieb. Unter anderem gehören dazu Slow Steaming und eine effiziente Durchführung der Seereisen."

Georg Eljardt, Director Fleet Analytics & Technical Optimization

„Nicht nur die Schiffe müssen effizienter werden, auch die Lieferkette muss überdacht werden. Grundsätzlich ist und bleibt das Schiff als Transportmittel weiterhin mit Abstand das energieeffizienteste. Aber mit Blick auf die Zukunft gehen wir davon aus, dass sich Warenströme verändern und Kunden ihre Produktionsstätten zur Absicherung nicht nur auf einen Standort beschränken werden.“

Seeleute schulen
Silke Muschitz ist auch verantwortlich für das zur See fahrende Personal bei Hapag-Lloyd. Sie betont: „Egal welche Kraftstoffe wir in Zukunft nutzen, die Crews müssen im Umgang damit geschult werden. Für die Dual-Fuel-Schiffe mit LNG-Antrieb bilden wir zurzeit viele Seeleute gut aus. Es fehlt jedoch an praktischer Erfahrung. Bisher haben wir nur ein Schiff, das mit LNG fährt. Die nächsten Schiffe kommen erst 2023.“

Auf dem Weg zur Klimaneutralität spielen die Seeleute eine entscheidende Rolle, deshalb muss Hapag-Lloyd dafür sorgen, dass sie mit Überzeugung bei der Sache sind. „Unsere Seeleute müssen sich darauf einlassen – egal ob sie ihre Karriere gerade beginnen oder kurz vor dem Renteneintritt stehen,“ sagt Silke Muschitz. „Die Dual-Fuel-Schiffe müssen mit einer Crew besetzt werden, die dafür ausgebildet ist, mit einem LNG-System zu fahren.“ Daher kann ein Motor, der mit Ammoniak oder Methanol läuft, auch nicht innerhalb kürzester Zeit eingesetzt werden. Für Motoren dieser Art gibt es keine Ausbildungsrichtlinien und deshalb auch keine Crew, die im Umgang damit ausgebildet ist. Doch Silke Muschitz ist sich sicher, dass es möglich ist, die Crews für den Kraftstoff der Zukunft zu schulen: „Wir müssen die Crews rechtzeitig ausbilden, damit unsere Seeleute einsatzbereit sind, wenn der neue Antrieb zur Verfügung steht.“

Trotz vieler Herausforderungen stimmen alle überein, dass es möglich ist, die Flotte von Hapag-Lloyd bis 2045 klimaneutral zu betreiben und dass kein Weg daran vorbeiführt. „Fakt ist, dass es eine dramatische Klimaveränderung gibt, die für die nächsten Generationen ein Problem darstellt,“ sagt Lutz-Michael Dyck.

Silke Muschitz, Senior Director Fleet Management

„Unsere Seeleute müssen sich darauf einlassen – egal ob sie ihre Karriere gerade beginnen oder kurz vor dem Renteneintritt stehen. Die Dual-Fuel-Schiffe müssen mit einer Crew besetzt werden, die dafür ausgebildet ist, mit einem LNG-System zu fahren.“

Internationale Regeln
Um die Dekarbonisierung in der Schifffahrt zu unterstützen, hat die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO) neue CII-Regeln eingeführt, die ab dem 1. Januar 2023 für alle Schiffe gelten. Der CII (Carbon Intensity Indicator) misst, wie viel Gramm CO2 pro gefahrene Seemeile und bezogen auf Tragfähigkeit emittiert werden. Die Schiffe werden je nach erreichtem Index in eine Skala von A bis E eingestuft. Jedoch sieht Hapag-Lloyd zusammen mit der maritimen Industrie noch einigen Nachbesserungsbedarf. „Der Grundgedanke ist gut, die Umsetzung ist nur unzureichend, um eine aussagekräftige Beurteilung der Effizienz der Transportaufgabe zu gewährleisten,“ sagt Georg Eljardt. „Die Datengrundlage und Beurteilungskriterien der IMO DCS Datenbank sind noch zu ungenau. Es ist auch noch nicht klar, welche Konsequenzen es konkret haben wird, wenn es für einige Schiffe nicht möglich sein wird, innerhalb der vorgegebenen Grenzen regelkonform betrieben zu werden. Wir sehen speziell bei kleineren Schiffen auf infrastrukturell weniger ausgestatteten Fahrgebieten ein Problem, die Anforderungen erfüllen zu können.“

Dennoch herrscht Einigkeit, dass die CII-Regeln auf lange Sicht sinnvoll sind: „Es wird Änderungen geben, damit die CII-Regeln fairer werden und wir auf einen Stand kommen, mit dem jede und jeder leben kann,“ sagt Georg Eljardt. Lutz-Michael Dyck ergänzt: „Ein positiver Aspekt der neuen Umwelt-Regeln ist, dass sie alte ineffiziente Schiffe aus dem Verkehr ziehen, weil es sich nicht mehr lohnt, sie zu fahren. Früher haben alte Schiffe immer nur den Besitzer gewechselt. Jeder Schritt in die richtige Richtung ist besser als Stillstand.“

Von links nach rechts: Lutz-Michael Dyck, Georg Eljardt, Silke Muschitz und Christoph Thiem sind ständig auf der Suche nach Verbesserungen, um unsere Flotte klimaneutral zu machen

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