Strahlendes Rot, Gelb, Grün: anmutig tanzt der bunte Schwarm durch die Unterwasserwelt – vorbei an Korallen, Schildkröten und schnorchelnden Touristen. Doch es sind keine Fische, die den Urlaubern hier im Indischen Ozean vor die Linse schwimmen. Es sind bunte Plastikfetzen.
Die vermüllten Küsten vor Bali zeigen, wie verheerend das Plastikproblem bereits ist. Je nach Witterung und Strömung schwappen Hunderte Flaschen, Verpackungen und Tüten an die Strände der Urlaubsinsel. Während die Balinesen vor allem das Fernbleiben der Touristen fürchten, hat Kunststoff für die Meeresbewohner häufig tödliche Folgen. Sie verwechseln Plastik mit Nahrung – einmal verschluckt, blockiert es die Verdauung und lässt sie qualvoll verenden. Erst kürzlich fanden Forscher an Thailands Küste einen angespülten Wal – er hatte 80 Plastiktüten in seinem Magen. Trotzdem findet jährlich immer mehr Plastik seinen Weg in die Ozeane. 140 Millionen Tonnen Plastik dümpeln dort bereits. Wie kommt es dorthin? Was lässt sich dagegen tun? Eine Spurensuche.
Verschmutzte Flüsse
Einer Studie der Plattform „Nature Communications“ zufolge stammen allein 67 Prozent des im Ozean treibenden Plastiks aus 20 Flüssen, die meisten davon in Asien. So gehört etwa der Ganges zu den Top-Verschmutzern. Statt Fischen und anderer Flussbewohner tummeln sich in Indiens heiligem Fluss PET-Flaschen, Einkaufstüten und Styropor.
Doch es sind auch Joghurtbecher aus Deutschland oder Shampooflaschen aus Dänemark, die über Asiens Flüsse ins Meer gelangen. Denn die EU exportierte zuletzt die Hälfte des hier eingesammelten Mülls ins Ausland. China nahm bislang den Großteil davon ab. Dort wurde das Plastik sortiert und wiederverwertet oder verbrannt. Mittlerweile hat China die Importe gestoppt.
Zu wenig Recyling
Etwa 25 Millionen Tonnen Kunststoff fallen jährlich in Europa an – davon werden 30 Prozent recycelt. „Wenn wir nicht ändern, wie wir Plastik produzieren und nutzen, wird es 2050 mehr Plastik als Fisch in unseren Ozeanen geben“, warnt Frans Timmermans, Vizepräsident der EU-Kommission. Die sagt dem Müll den Kampf an. Ein Ziel ist es, die Wiederverwertung auch in Europa profitabler zu machen. Einheitliche Standards und ähnliche Ausgangsstoffe sollen die Qualität des EU-Recyclings steigern.
Zudem will die EU die Entsorgung von Schiffsabfällen in den Häfen neu regeln. So sollen Schiffe künftig vor Einfahrt in den Hafen die Menge und Sorte des Abfalls angeben. Erst danach könnten sie ihn an speziellen Annahmestellen abgeben. „Das Meer darf kein Müllkippe für Plastik sein“, sagt Ralf Nagel, Geschäftsführendes Präsidiumsmitglied des Verbands Deutscher Reeder (VDR). „An Bord wird der Müll längst ordentlich getrennt. Durch die Neuregelung soll jetzt sichergestellt werden, dass Plastik und anderer umweltgefährdender Müll an Land auch ordnungsgemäß entsorgt wird.“
Die Schifffahrt geht seit Jahrzehnten mit gutem Beispiel voran. Bereits 1973 verabschiedete die International Maritime Organization (IMO) ein Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe, kurz MARPOL. Die Umweltvorschiften regeln etwa, wie Schiffe mit Öl, schädlichen flüssigen Stoffen, Schiffabwässern oder eben Müll umgehen. Die Vorschriften wurden im Laufe der Zeit kontinuierlich weiterentwickelt. „Die Schifffahrt ist Vorreiter in puncto Meeresschutz“, sagt Nagel. „Jetzt müssen die Häfen mitziehen, um eine umweltfreundliche Entsorgung zu gewährleisten.“
Bei Hapag-Lloyd etwa ist der Grundsatz „No Garbage into the Sea“ gelebte Realität. „Wir haben unternehmensweit sehr hohe Umweltstandards – nicht nur beim Thema Müll. Jede einzelne Plastiktüte, jede Lebensmittelverpackung wird an Bord gesammelt, getrennt und dann an den jeweiligen Häfen zur lokalen umweltgerechten Entsorgung abgegeben“, so Wolfram Guntermann, Director Environmental Management bei Hapag-Lloyd. Die größten Plastikverschmutzer der Meere kommen von der Landseite – deswegen setzt Hapag-Lloyd darauf, Projekte zu fördern, bei denen die Bevölkerung über die Gefahren des Plastikmülls informiert wird. So hat das Unternehmen 2017 der Organisation OceanCare, die sich für den Schutz von Meerestieren und Ozeanen einsetzt, mit einer Spende in Höhe von 50.000 Euro unterstützt.
Giftige Winzlinge
Doch auch bei noch so großer Sorgfalt beim Müllsammeln: Gegen Mikroplastik ist sie machtlos. In Waschmitteln und Kosmetika verstecken sich die winzigen Kunststoffpartikel, die die Waschwirkung erhöhen sollen. Die Teilchen, die kleiner als fünf Millimeter sind, können von Kläranlagen nicht gefiltert werden und gelangen so in die Gewässer. Dort werden sie auch für den Menschen zur Gefahr: Fische schlucken die Partikel – die so auch in unserer Nahrungskette landen. Der Mensch isst quasi seinen eigenen Müll. Die gesundheitlichen Folgen sind bislang ungeklärt.
Brüssel spielt daher mit dem Gedanken, den gezielten Zusatz der Partikel zu verbieten. Schweden ist schon einen Schritt weiter: Dort wurde der Verkauf von Kosmetika mit Mikroplastik zum 1. Juli untersagt.
Plastikflut eindämmen
Die Maßnahmen sollen verhindert, dass noch mehr Plastik ins Meer gelangt. Doch was ist mit dem Müll, der bereits im Meer ist? Der 23-jährige Niederländer Boyan Slat nutzt bei seinem Projekt „The Ocean Cleanup“ die Meeresströmung, um den in Strudel kreisenden Müll zu sammeln. Kilometerlange schwimmende Röhren sollen im Meer eine Art künstliche Küstenlinie bilden. Von der sinnigerweise aus Kunststoff gefertigten Barriere hängen Netze vier Meter tief ins Wasser. Die Idee: Die Meeresströmung drückt Fische und andere Meeresbewohner unter den Fangnetzen durch. Was hingegen hängen bleibt, ist Plastik jeder Art und Größe – vom Fischernetz bis zum kleinsten Mikropartikel. Anschließend sammeln Schiffe das Plastik ein und bringen es an Land, wo es zu Pellets verarbeitet wird. „Der Einsatz ist hoch, die Welt hofft auf uns“, sagt Slat. Im Mai testete das Team erfolgreich eine 120 Meter lange Röhre in der Bucht von San Francisco. Danach soll der gigantische Wasserfilter im pazifischen Müllstrudel installiert werden. „Wir Menschen haben das Plastikproblem geschaffen. Also sollten wir auch in der Lage sein, es zu lösen“, so Slat.
Die Vermüllung der Meere ist neben dem Klimawandel eine der großen Herausforderungen der Menschheit. Da ist Erfindergeist wie der von Boyan Slat gefragt. Und unser aller Engagement, indem wir weniger Plastikmüll verursachen, zum Beispiel indem Mehrwegverpackungen verwendet werden oder noch besser: Verpackungsmüll ganz vermieden wird.