Die Chinesen wollen beim Schiffbau in die nächste Dimension vorstoßen. Die Staatsreederei Cosco hat eine Machbarkeitsstudie für ein 25.000 TEU-Schiff in Auftrag gegeben. Doch schiere Größe ist heute kein Erfolgsgarant mehr.
Senior Ingenieur Xu Lirong denkt groß. Der Chairman der chinesischen Staatsreederei Cosco will mal wieder in neue Dimensionen vorstoßen. Er lässt die Machbarkeit eines 25.000 TEU-Schiffs prüfen – und wird es wohl auch in China bauen lassen. Technisch ist das wohl gut machbar, wirtschaftlich aber durchaus riskant. Die Schifffahrtsbranche weltweit ist aufgeschreckt. Mit den neuen 23.000 TEU-Schiffen, die in diesem Jahr für die französische CMA CGM in See stechen sollen, schien eigentlich eine ökonomisch sinnvolle Grenze für viele Jahre erreicht zu sein.
Größtes Containerschiff der Welt ist derzeit noch die OOCL Hong Kong. Sie trägt 21.413 Stahlboxen. Das 400-Meter-Schiff ist viermal so lang wie ein Fußballfeld, so breit wie eine zwölfspurige Autobahn (59 Meter) und so hoch wie ein respektables Hochhaus (73 Meter). Das neue chinesische Schiff soll dann etwa 435 Meter lang und 60 Meter breit werden und einen Tiefgang von 17 Metern haben.
Der stramme Parteigänger der Kommunistischen Partei, Xu Lirong, hat bereits als 17jähriger bei Cosco angeheuert. Als junger Mann hat er die wirtschaftliche Öffnung Chinas Anfang der 80er-Jahre miterlebt. Und dieser historische Aufstieg war angetrieben durch den Export chinesischer Waren. Und der hat auch Cosco groß gemacht.
In China ist man offenbar fest davon überzeugt, dass das Streben nach Größenvorteilen für Reedereien noch „eine ganze Weile“ anhalten wird. „Das ist notwendig, um globale Netzwerke zu etablieren und die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern“, erklärt Cosco-Topmanager Zhang Wei selbstbewusst. Die jetzt geplanten Riesenschiffe sind angeblich wirtschaftlicher: Ein kleiner 1000-Container-Frachter braucht 15 Mann Besatzung - einer, der 20-mal so viele Container fasst, oft nicht einmal doppelt so viele. Dazu sinkt der Treibstoffverbrauch pro Container. Zudem sind große Schiffe umweltfreundlicher unterwegs, weil sie weniger Feinstaub und CO2 ausstoßen.
Hapag-Lloyd-Flottenchef Richard von Berlepsch überzeugen diese Argumente nicht ganz. Er ist da vorsichtiger: „Wir investieren mit einem Horizont von 25 Jahren in neue Schiffe.“ Und wie die Welt der Seefahrt in 25 Jahren aussehe sei derzeit höchst unsicher, wirtschaftlich und ökologisch. In den meisten Häfen der Welt scheitere zudem die Abfertigung solcher Riesenschiffe an den Tiefen und der Länge der Kaimauern. Die globale maritime Infrastruktur müsste also auf jeden Fall modernisiert und ausgebaut werden. Das kostet viel Geld. Aktuell wären die bis zu 25.000 TEU Schiffe nur im Trade Fernost – Europa einsetzbar. Zudem würde es wohl länger dauern, die großen Schiffe abzufertigen. „Je größer die Schiffe, umso länger liegen sie in den Häfen und verdienen kein Geld“ weiß von Berlepsch. So könnten sich die mit schierer Größe erkauften Kostenvorteile schnell wieder verflüchtigen. Denn diese sind bis 40.000 TEU nach Ansicht vieler Experten längst nicht so groß wie beim Sprung von 10.000 auf 20.000 TEU.
Außerdem wären viele Häfen allein aufgrund ihrer geografischen Lage nicht in der Lage, solche Schiffe abzufertigen. Voll beladen wäre deren Tiefgang zu groß. Direkt am offenen Meer liegende Hafenbetreiber wie Eurogate bieten sich den Chinesen aber bereits zum Beispiel im Tiefseehafen Wilhelmshaven als künftiger Partner an.
Viele Spediteure sind allerdings skeptisch, weil sie fürchten, dass sie große Lager bauen müssen, wenn die Megaschiffe 25.000 Boxen auf einen Schlag abladen. Auch die meisten Cosco-Konkurrenten wiegeln ab.
Tobias König, Managing Direktor von Lexington Maritime, sagt: Die Reeder „brauchen künftig Arbeitspferde“, die etwa 10.000 TEU und zwischen 16.000 und 20.000 TEU transportieren können. „Ich glaube nicht, dass der Trend zu immer größeren Schiffen sich fortsetzen wird.“
Viele andere in der Branche verweisen in der Größendebatte zudem auf Parallelen zu einem der größten Desaster in der Luftfahrtindustrie. Der seit 2005 wesentlich auf Langstrecken fliegende Airbus-Jumbos A380 war so groß, dass es für viele Airlines auf Dauer sehr schwer war, den Riesenflieger mit bis zu 500 Sitzplätzen zu auskömmlichen Preisen zu füllen.
McKinsey-Berater sind allerdings trotzdem davon überzeugt, dass sich der Hang der Chinesen zur Größe durchsetzen und die ganze Branche aufmischen könnte. Sie rechnen damit, dass bereits in wenigen Jahrzehnten Megaliner auf dem Weltmeeren fahren werden, die rund 50.000 Boxen transportieren. Voraussetzung für den wirtschaftlichen Betrieb solcher Riesenschiffe wäre allerdings, dass sich der Welthandel bis dahin verfünffachen würde. Im vergangenen Jahr wurden 168 Millionen TEU transportiert. Würde sich diese Menge wirklich bis 2060 verfünffachen, müsste weltweit die maritime Infrastruktur kontinuierlich modernisiert und erweitert werden. Auch die Geschäftsmodelle der Reeder müssten wohl radikal umgebaut werden. Denn wenn alle großen Reeder beim Rennen um neue Megaschiffe mitmachen würden, entstehen „nur neue Überkapazitäten.“ Und dann verlieren wieder Alle.