Lange gab es Streit, nun beginnt das Baggern in der Elbe. Sogar Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer war für den offiziellen Start vor Ort. Bis 2021 sollen 40 Millionen Kubikmeter Schlick bewegt werden und die Fahrrinne breiter und tiefer werden. Hapag-Lloyd will künftig noch mehr Schiffe nach Hamburg fahren lassen.
Start für die größte Flussvertiefung der Geschichte: Langsam senkt sich der gigantische Saugrüssel der „Scheldt River" in das braune Wasser der Elbe. Es wird wieder gebaggert in der Fahrrinne, denn der große Fluss soll auf seinem Weg in die Nordsee erneut breiter und tiefer werden. Bis zu 40 Millionen Kubikmeter Schlick werden dabei in den nächsten Jahren bewegt. Die leuchtend grün gestrichene „Scheldt River“ ist ein 116 Meter langes und 25 Meter breites Arbeitsschiff. Es wird die Baggerarbeiten in den nächsten Jahren durchführen, gemeinsam mit der „Bonny River“ und der „Peter the Great“.
Darauf hat die Hamburger Hafenwirtschaft 17 Jahre lang gewartet. So lange reichen die ersten Pläne für die Ausbaggerung zurück. Umweltschützer und Elbfischer hatten seit Planungsbeginn stark protestiert und gegen das Vorhaben und geklagt.
In dieser Zeit hat der Hamburger Hafen Kundschaft verloren. In der Rangliste der weltgrößten Häfen steht Hamburg nur noch auf Platz 19. Mittlerweile gibt es immer mehr große Containerschiffe, die die Hansestadt nicht mehr anlaufen oder verlassen können, weil sie zu groß sind. Der Containerumschlag ist seit Jahren tendenziell rückläufig. Jetzt hoffen viele durch die Elbvertiefung auf einen neuen Aufschwung. „Das hilft den Standort Hamburg zu stärken“, sagt Hapag-Lloyd-Vorstand Maximilian Rothkopf.
Hapag-Lloyd ist für den Hamburger Hafen der größte Container-Kunde. Im Geschäftsjahr 2018 hat das Unternehmen hier rund 1,9 Millionen TEU umgeschlagen - rund ein Viertel des Gesamtvolumens. Die Hansestadt biete eine hervorragende Infrastruktur und exzellente Hinterlandverbindungen, sagt Rothkopf. Auch deshalb habe Hapag-Lloyd kürzlich entschieden, einen Großteil seiner Nordatlantikverkehre von Bremerhaven nach Hamburg zu verlagern. Das hat bereits jetzt dazu geführt, dass in den Hamburger Terminals wieder merklich mehr Container umgeschlagen werden. Nach Abschluss der Bagger-Arbeiten in der Elbe könnten dann künftig auch die „weltweit größten Containerschiffe nahezu ohne Einschränkungen die Hansestadt Hamburg erreichen“, sagt Rothkopf.
Vor rund 20 Jahren war ein großes Containerschiff 350 Meter lang, 46 Meter breit und konnte 9.000 Standardcontainer (TEU) transportieren. Heute sind viele Frachter 400 Meter lang, 60 Meter breit und tragen 22.000 TEU. Diese Schiffe laufen den Hamburger Hafen zwar immer häufiger an, können aber nur eine geringere Ladungsmenge aufnehmen. Deshalb soll die Fahrrinne tiefer und breiter werden. Und aus der Einbahnstraße wird ein Schifffahrtsweg, der in beiden Richtungen befahren werden kann.
Der Hamburger Wirtschaftssenator Michael Westhagemann ist stolz darauf, dass nach Ende der Bauarbeiten auch zwei bis zu 400 Meter lange Schiffe - in der sogenannten Begegnungsbox - auf der Höhe des Hamburger Stadtteils Wedel aneinander vorbeifahren können. „Damit können wir zwei Mal so viele Schiffsanläufe hinbekommen wie in der Vergangenheit.“ Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer rechnet damit, dass künftig pro Jahr 2800 statt 1400 Containerriesen Hamburg anlaufen könnten.
Insgesamt rechnen die Planer damit, dass in zwei Jahren alles fertig ist. Ab 2021 könnten dann drei Millionen Container zusätzlich im Hamburger Hafen umgeschlagen werden, ohne dass den Reedern Kosten durch weitere Schiffsanläufe entstehen. Viele Jahre lang hatte der Umschlag des Hamburger Hafens bei neun Millionen Containern pro Jahr stagniert.
Die Elbe wird künftig so tief sein, dass Schiffe unabhängig von der Tide mit bis 13,50 Meter Tiefgang den Hamburger Hafen ansteuern können - auf der Flutwelle bis 14,50 Meter.
Für die Riesenfrachter von heute reicht das eigentlich immer noch nicht. Sie erreichen einen Tiefgang von bis zu 15,50 Metern. Doch viele Schiffe auf dem Weg nach Hamburg sind ohnehin nicht voll beladen. Sie haben auf ihrer Reise schon einige Stopps in anderen europäischen Häfen hinter und vor sich. Vor allem auf den Asien-Routen werden mittlerweile fast nur noch Schiffe mit mehr als 20.000 Containern Tragfähigkeit eingesetzt. In China werden bereits Schiffe mit bis zu 25.000 TEU geplant.
Rund 780 Millionen Euro soll die neunte Elbvertiefung kosten - fast schon eine Elbphilharmonie. Der Bund will davon rund 490 Millionen Euro übernehmen, die Stadt Hamburg rechnet mit 286 Millionen Euro Kosten. Bundesverkehrsminister Scheuer bezeichnete die Elbvertiefung als nationale Aufgabe für das Exportland Deutschland.
Die Elbvertiefung war spätestens seit dem Beginn der Planfeststellung im Jahr 2006 heftig umstritten. Fischer fürchteten um ihre Fänge, Obstbauern im Alten Land um ihre Ernte, Elbgemeinden vor allem in Niedersachsen um die Sicherheit der Deiche. Manfred Braasch vom BUND klagte deshalb auch bei Beginn der Baggerarbeiten, dass sich der Zustand der Elbe in den vergangenen Jahren noch einmal „extrem verschlechtert“ habe. Vor allem die Stint-Fischer seien bereits heute immer wieder entsetzt über fast leere Netze. Vor dem Bundesverwaltungsgericht läuft gegen das Infrastrukturprojekt auch noch eine Klage, die Anfang kommenden Jahres entschieden wird.
Begleitet wird die Elbvertiefung bereits heute durch umfangreiche ökologische Ausgleichsmaßnahmen, zum Teil in Schleswig-Holstein und Niedersachsen. „Die Elbvertiefung ist das bestgeprüfte und meistbegutachtete Infrastrukturvorhaben in Deutschland", hielt Scheuer bei Beginn der Bauarbeiten demonstrierenden Umweltschützern entgegen: 13 Klagen und Prozesse seien am Ende rechtskräftig entschieden worden, alle Bedenken der Gerichte ausgeräumt. Hans-Heinrich Witte, der Präsident der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt, wies zudem darauf hin, dass rund 15 Prozent der Gesamtkosten der Elbvertiefung für Umwelt- und Naturschutz ausgegeben würden.