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Keine schnelle Erholung des japanischen Marktes in Sicht

Nils Meier ist Hapag-Lloyd's Managing Director in Japan. Zurzeit kämpft er an vorderster Front gegen die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie. Im Interview spricht er über die aktuellen Herausforderungen in Japan.

Wie ist die gegenwärtige Situation im Hinblick auf COVID-19 in Japan?

In den letzten Tagen ist die Stimmung wieder etwas angespannter, denn die Zahl der Neuinfektionen nimmt leicht zu. Das ist aber kein Grund zur Panik. In Tokio, der groessten Megacity der Welt mit 38 Millionen Einwohnern, gibt es derzeit ungefähr 200 – 300 neue COVID-19-Fälle pro Tag. Die Fallzahlen sind allerdings mit Vorsicht zu betrachten, denn Japan führt verhältnismäßig wenig COVID-19-Tests durch. Die Regierung ist nervös und thematisiert wieder mögliche Reisebeschränkungen innerhalb des Landes. Insgesamt ist die Lage jedoch stabil.

Wie hat sich die Wirtschaftslage in Japan entwickelt?

Die Pandemie hat Japan hart getroffen. Die Wirtschaft des Landes lebt von einem sehr starken Automotive-Sektor. Die Abhängigkeit von dieser Branche spüren wir nun deutlich. Im Mai haben Japans Autohersteller im Vergleich zum Vorjahr 60 Prozent weniger produziert. Mai und Juni waren die schlimmsten Monate für die japanische Wirtschaft. Gegenwärtig steigt die Produktion leicht, denn viele Fabriken haben die Produktion wieder aufgenommen, die Wirtschaftsleistung aber liegt immer noch deutlich unter dem Vorjahresniveau. Im ersten Halbjahr sind die japanischen Exporte um 14,5 Prozent zurückgegangen. Erst das vierte Quartal soll wieder besser werden.

Wie hat die Pandemie das Geschäft von Hapag-Lloyd beeinflusst?

Auch wir sind sehr stark betroffen. Im Mai und Juni haben wir weniger transportiert als im Vorjahr. Im ersten Halbjahr ist der Markt insgesamt um 14,5 Prozent zurückgegangen. Es gibt aber auch nur begrenzten Spielraum, sich in dieser Krise anders aufzustellen, da die schwächelnde Autoindustrie der mit Abstand größte Sektor ist. Doch wir tun alles, um unsere Commodity Diversifikation voranzutreiben und besonders den Chemical- und Retail-Sektor auszubauen.

Sind alle Mitarbeiter schon wieder in die Büros zurückgekehrt?

Im April und Mai wurde in Japan ein Ausnahmezustand verhängt. In dieser Zeit hatten wir unsere drei Büros in Tokio, Osaka und Nagoya geschlossen. Bis auf zwei Mitarbeiter, die sich vor Ort um die wichtigsten administrativen Aufgaben gekümmert haben, blieben alle Kolleginnen und Kollegen zuhause. Inzwischen arbeiten wieder ungefähr 30 Prozent im Büro und der Rest von zuhause. Wir warten nun erst einmal ab, wie sich die Infektionszahlen entwickeln und prüfen dann, was die nächsten Schritte sind.

Was sind neben Automotive die wichtigsten Exportgüter?

Neben Automotive und Reifen sind die wichtigsten Güter Machinery, wie zum Beispiel Landmaschinen aber auch Reefer sind  besonders wichtig bei den Importen. Der Food & Beverage-Bereich ist enorm stark im Importbereich. Bei der Reefern haben wir zwischen Importen und Exporten ein großes Ungleichgewicht. Hapag-Lloyd hat im letzten Jahr deutlich mehr reefer importiert als exportiert. Von diesen Exportreefern ist ein bedeutender Anteil mit Batterien für Elektroautos beladen. Ich finde das spannend, denn bei Reefern denken die Wenigsten als erstes an Batterien.

Sie erwähnten schon ein Ungleichgewicht zwischen Exporten und Importen bei den Reefern. Haben wir bei Dry Cargo ein ähnliches Problem?

Ein Problem würde ich es nicht nennen. Die Herausforderung entsteht eher daraus, dass verschiedene Regionen unterschiedlich stark importieren oder exportieren. Der Norden importiert besonders viel, der Westen ist mit seiner Industrie hingegen stark im Export. Daher bewegen wir in Japan sehr viele Leercontainer von Ost nach West.

In Europa lesen wir oft von Japans alternder Gesellschaft – ist das im Alltag spürbar?

Der Anteil der sehr alten Menschen in der Gesellschaft ist definitiv hoch. Aber Rentner leben hier in der Mehrzahl nicht zurückgezogen und einsam, sondern sind weiterhin sehr aktiv. Viele suchen sich im Ruhestand einen neuen Job oder betätigen sich ehrenamtlich. Gegenwärtig verlassen die älteren Menschen natürlich ihr zuhause deutlich weniger, weil sie als Risikogruppe gelten.

Die japanische Arbeitswelt und Arbeitsmoral gilt als besonders. Warum?

Ein großes Problem ist, dass sich viele Japaner bei der Arbeit viel zu sehr ins Zeug legen. Das geschieht in einem Ausmaß, das gesundheitsschädigend sein kann. Es gibt im Japanischen sogar einen Begriff für einen plötzlichen Tod durch Überarbeitung – Karōshi. Wir nehmen dieses Problem sehr ernst. Bei Hapag-Lloyd haben wir deshalb einmal im Monat einen Arzt im Büro, der sicherstellt, dass es allen Mitarbeitern gut geht. Wir achten auch sehr darauf, dass die Kolleginnen und Kollegen ausreichend Urlaub nehmen. Im Lockdown haben wir versucht Überstunden zu reduzieren. Das Home-Office ist eine gute Möglichkeit, den Stress etwas zu reduzieren – denn die Fahrt zum Büro in völlig überfüllten Bahnen und Bussen fällt ja weg. Umfragen zeigen, dass Mitarbeiter das Arbeiten von zuhause sehr schätzen, da es ihnen etwas mehr Flexibilität gibt, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen.

Über Nils Meier

Nach dem Studium in Siegen startete Nils Meier seine Karriere bei Hapag-Lloyd. Am Ballindamm arbeitete er zwei Jahre lang im Controlling und wechselte dann nach Hong Kong, wo er vom Controlling in den Verkauf ging. Kurze Zeit später wurde er Sales Director in Shanghai. Nach seiner Zeit als Country Manager Vietnam und Managing Director Indochina übernahm er die Rolle des Managing Director bei Hapag-Lloyd Japan.

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